afghanistan mes aynak wp 150Berlin. - In Afghanistan ist der Run auf die immensen Bodenschätze des Landes in vollem Gange. Auch die deutsche Bundesregierung beteiligt sich an dem Wettrennen um die im Boden schlummernden Ressourcen des Krisenstaates. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) forderte auf einer zweitätigen Konferenz in Berlin, die am Donnerstag zu Ende ging, ein größeres Engagement der deutschen Wirtschaft, ohne den Bergbausektor explizit zu nennen. Doch in Afghanistan geht es in erster Linie um die noch unerschlossenen Rohstoffe, die laut einer US-Studie eine Billion Dollar wert sein sollen, laut Schätzungen der afghanischen Regierung drei Billionen.

"Verlässliche Partnerschaft in Zeiten des Umbruchs" lautet die "Neue entwicklungspolitische Strategie für Afghanistan 2014-2017", die Minister Müller in der Berliner KfW-Niederlassung verkündete. Die Strategie soll die Ent­wick­lungs­zusam­men­ar­beit mit Afghanistan für die Zeit nach dem Abzug der ISAF-Mission neu ausrichten. Müller sieht die deutsch-afghanischen Beziehungen an einem Wendepunkt: "die privaten Investitionen müssen steigen", erklärte er, die "deutsche Wirtschaft hält sich zu stark zurück". Als ein zentrales Betätigungsfeld der deutschen EZ nannte der Minister die Berufsbildung.

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Grafik: Statista

Gut ausgebildete Fachkräfte benötigt Afghanistan, nicht nur in der Industrie, sondern auch in der Politik und in der Verwaltung. Denn die politische und wirtschaftlliche Führung des Bürgerkriegslandes, das seit Jahrzehnten von fremden Mächten dominiert wird, öffnet derzeit - mehr oder weniger freiwillig - die Schätze des Landes für in- und ausländische Investoren. Laut U.S. Geological Survey (USGS) haben die noch nicht erschlossenen Bodenschätze einen Wert von rund einer Billion Dollar. Das geht aus der Studie "Summaries of Important Areas for Mineral Investment and Production Opportunities of Nonfuel Minerals in Afghanistan" hervor, die USGS in Kooperation mit der "Task Force for Business and Stability Operations" unter der Aufsicht des US-Verteidigungsministeriums und des "Afghanistan Geological Survey" im November 2011 veröffentlichte. Die Bodenschätze waren im wesentlichen im Zeitraum 2005 bis 2007 erkundet worden. Die afghanische Regierung bezifferte den Wert der unerschlossenen mineralischen Ressourcen auf rund drei Billionen US-Dollar.

Neben Erdgas, Öl und Kohle verfügt Afghanistan vor allem über reiche Vorräte an Kupfer, Eisenerz, Gold, Edelsteinen, seltenen Erden, Chrom, Talk, Barit und Schwefel. Afghanistan könnte eines der weltweit wichtigsten Bergbaugebiete werden, urteilt Publish What You Pay (PWYP), ein globales NGO-Netzwerk, das - ebenso wie die Extraktive Industries Transparency Initiative (EITI) - für mehr Transparenz im Bergbausektor eintritt.

ROHSTOFFDIALOG MIT AFGHANISTAN

Die damalige Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Gudrun Kopp, hatte im Juli 2013 den "Ersten Deutsch-Afghanischen Rohstoffdialog" eröffnet. Im Rahmen der Veranstaltung tauschen sich deutsche Wirtschaftsvertreter, insbesondere aus den Sektoren Energie, Infrastruktur und der Consultingbranche, mit Experten über afghanische Rohstoffvorkommen und den Investitionsbedarf im Land aus. Der afghanische Minister für Bergbau, Öl und Gas, Wahidullah Shahrani, und Finanzminister Omar Zakhilwal nehmen ebenfalls an der Fachkonferenz teil. Kopp, auch Sonderbeauftragte für Rohstofffragen im BMZ, erklärte damals: "Der Rohstoffsektor in Afghanistan bietet enorme Chancen, Arbeitsplätze und Wohlstand zu schaffen. Der Rohstoffsektor kann so auch einen Beitrag leisten, das Land nachhaltig zu entwickeln. Erforderlich sind jetzt sichere wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen, also klare Regeln zum Abbau der Rohstoffe, zum Umweltschutz und zur Einbindung der Bevölkerung."

Afghanistan hat aus der Sicht des BMZ das Potenzial, in weniger als 20 Jahren in die Riege der bedeutenden internationalen Anbieter strategisch wichtiger Rohstoffe, wie z.B. seltene Erden, Lithium, Tantalum, Wolfram, aufzusteigen. Es steigen damit aber auch die Anforderungen an die afghanische Regierung, den Abbau von Bodenschätzen in eine nachhaltige Entwicklung des Landes zu kanalisieren. Das BMZ will nach eigenen Aussagen die afghanische Regierung dabei unterstützen, die Bergaufsicht zu verbessern und eine nachhaltigen und transparenten Bergbausektor aufzubauen.

Afghanistans Bergbauminister Wahidullah Shahrani veröffentlichte laut einem Bericht der New York Times im Oktober 2012 eine Liste von rund 200 Bergbauprojekten. Dabei handelt es sich jedoch in erster Linie um kleinere Erschließungsaufträge. Die Details der großen Minenprojekte, etwa eine für 30 Jahre gültige Lizenz zur Ausbeutung der Aynak Kupfermine, die zum Preis von mehr als drei Milliarden Dollar an chinesische Investoren vergeben wurde, warten auf ihre Offenlegung, wie NGOs monierten. Am 21. März will EITI den nächsten Länderbericht zu Afghanistan veröffentlichen. Noch hat Afghanistan lediglich Kandidaten-Status bei EITI. Die Regierung hat jedoch zugesagt, künftig möglichst große Transparenz bei Aufträgen im Bereich der extraktiven Industrie an den Tag zu legen.

Laut dem jüngsten Afghanistan EITI Report erzielte der afghanische Staat im Fiskaljahr 1389 (21.3.2010-20.3.2011) Einnahmen aus dem Bergbausektor von 23,4 Millionen US-Dollar. 2008/2009 hatten die Einnahmen bei 89,6 Mio. Dollar gelegen - vor allem wegen Bonuszahlungen, die aus der Unterzeichnung von Verträgen für das Aynak Kupferminenprojekt herrührten ("signature bonuses related to the Aynak Copper Mining project"). Die Bergbauunternehmen zahlten weniger als 1 US-Dollar pro Kopf an Steuern

Von zentraler Bedeutung für die Erschließung der mineralischen Rohstoffe und ihrer Verschiffung ist eine geplante Eisenbahnlinie von rund 3.600 Kilometern Länge. Hinzu kommt, dass viele Großprojekte in Regionen wie der Provinz Helmand, einer Opium-Hochburg Afghanistans, liegen, in denen die Sicherheit der Bergbau-Unternehmen und ihrer Angestellten von der afghanischen Regierung nicht gewährleistet werden kann. Investitionen und Profite der US-Finanzindustrie stehen damit auf den Spiel - auch deshalb drängt die US-Regierung auf die Unterzeichnung eines Sicherheitsabkommens.

Bei Wikipedia heißt es zu den Bodenschätzen: "Die bedeutendsten Bodenschätze sind neben Eisen- und Kupfererzen, Erdgas, Kohle und Schmucksteinen (hauptsächlich Lapislazuli) auch Erdöl, von dem im Jahr 2006 im Norden des Landes Lagerstätten entdeckt wurden, die das 18-fache der ursprünglich geschätzten Menge enthalten. Bereits im Jahr 1991 ergab eine US-Studie, dass durch den Abbau von Bodenschätzen genügend Profit erzielt werden könnte, um damit den Wiederaufbau des Landes zu finanzieren.[85]

Zahlreiche der früher ausschließlich als Staatseigentum angesehenen Minen und Lagerstätten wurden inzwischen privatisiert, was die Beteiligung ausländischer Investoren erst ermöglicht. Bei Erhebungen des möglichen Abbaus vorhandener nicht-fossiler Bodenschätze wurden 20 Lagerstätten identifiziert, die das Potenzial für einen wirtschaftlichen Abbau besitzen sollen. Voraussetzung für einen Produktionsbeginn ist jedoch eine ausreichende Sicherheitslage,[86] die vielerorts noch nicht gegeben ist."

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Afghanische Archäologen vor dem Camp Mes Aynak, wo große Kupfervorkommen im Tagebau abgebaut werden sollen. © Wikipedia | Jerome Starkey

Finanzminister Omar Zakhilwal erklärte in Berlin: "We have the need to create the environment that the private sector comes." Bereits im Jahr 2003 war die Afghanistan Investment Support Agency (AISA) gegründet worden. Sie registriert neue Unternehmen, vergibt Lizenzen und betreut Investoren bei Problemen nach der Unternehmensgründung. Über sie fließt viel Geld ins Land - ein verlockender Fundus für Korruption und Bestechlichkeit.

Eine Vielzahl afghanischer Unternehmen sei durch den Krieg ruiniert worden, die Wirtschaft sei jedoch inzwischen stabil und die Auslandsverschuldung aufgrund der Tatsache, dass Hilfen vor allem in Form von nicht rückzahlbaren Zuschüssen gewährt würden, relativ gering, sagte Zakhilwal. 90 Prozent des afghanischen Territoriums seien unter Kontrolle der Sicherheitskräfte des Landes.

Diese Darstellung darf bezweifelt werden. Die Taliban sind eher auf dem Vormarsch als auf dem Rückzug, und ein Großteil des Bruttoinlandsprodukts basiert auf dem Opium-Anbau, der seit der ISAF-Intervention auf neue Rekordwerte geklettert ist. Präsident Hamid Karzai will das Sicherheitsabkommen mit den USA nicht unterzeichnen. Ein Teil der US-Regierung und des Kongresses hofft ihn noch vor der Präsidentenwahl im April 2014 umstimmen zu können, andere setzen auf einen willigeren Nachfolger, da Karzai nicht mehr kandidieren darf.

Das Abkommen, auf das US-Regierung und -militärs drängen, sieht nach Plänen des kommandieren Marinegenerals Joseph Dunford vor, zwischen 10.000 und 13.000 US-Soldaten in neun Militärbasen zu belassen. Das wäre nicht überraschend, verfügen die USA doch über 1.000 Militärstützpunkte weltweit und intervenieren in 134 Ländern des Globus, um ihre strategischen Interessen durchzusetzen. Dass aber ein deutscher Entwicklungsminister sich für ein Abkommen des US-Militärs einsetzt, ist nicht alltäglich.

KONDITIONIERUNG DER DEUTSCHEN ENTWICKLUNGSHILFE

Entwicklungsminister Gerd Müller betonte, die deutsche Entwicklungshilfe für Afghanistan hänge von mehreren Bedingungen ab: Er wolle "kein Geld in korrupte Kanäle" fließen lassen, "jeder Euro muss ankommen". Ein Teil der Entwicklungshilfe von rund 430 Millionen Euro pro Jahr solle in Vorhaben der "guten Regierungsführung" münden. Und eine weiter Kondition nannte Müller: Das Sicherheits-Abkommen mit den USA "muss unterzeichnet werden".

Müller begründete die Forderung mit Sicherheitsüberlegungen - die rund 2.000 deutschen Experten und einheimischen Fachkräfte in Afghanistan sollten bei ihrer Arbeit nicht durch Terroranschläge gefährdet werden. Und dies, obwohl sich das BMZ und seine Durchführungsorganisationen "vor allem im Norden Afghanistans engagieren" wollen, wo das Bundeswehr-Kontingent der ISAF stationiert ist. Offenbar ist das Vertrauen darauf, dass die Stationierung deutscher Soldaten in Kundus für stabilere Verhältnisse gesorgt hat, innerhalb der Bundesregierung nicht sehr groß.

Im Weißen Haus werden längst Überlegungen angestellt, die US-Militärpräsenz komplett zu beenden. Das Pentagon wurde laut ABC News damit beauftragt, eine "Zero Option" auszuarbeiten, da Afghanistans Präsident Hamid Karzai das geforderte Sicherheitsabkommen wahrscheinlich nicht unterzeichnen werde.

In der neuen Afghanistan-Länderstrategie heißt es, neue Vorhaben der bilateralen Zusammenarbeit sollten sich auf beschäftigungsfördernde Maßnahmen konzentrieren, "ausdrücklich auch im ländlichen Raum außerhalb der Städte, wo besonders die Landwirtschaft künftig verstärkt gefördert werden soll. Auch im Bereich der Bildung und Berufbildung werden die Anstrengungen noch einmal intensiviert."

Deutschland hat seit 2002 rund zwei Milliarden Euro für die EZ mit Afghanistan bereitgestellt. Davon kamen rund 1,5 Milliarden aus dem Etat des BMZ. Neben Bildung und guter Regierungsführung konzentrieren sich die Hilfen auf Energieversorgung, nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und die Wasserversorgung.


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