ipccYokohama. - Der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change - IPCC) hat am Montag seinen 2. Teilbericht zum 5. Assessment Report (AR5) veröffentlicht. Obwohl der IPCC - wie die englische Bezeichnung verrät - ein zwischenstaatlicher Verhandlungs-Ausschuss ist, also Regierungspositionen zur globalen Erwärmung in sich vereint,  die Zeile für Zeile mit der Politik abgestimmt werden müssen, verkaufen die Mainstream Medien den Bericht als Summe wissenschaftlicher Einsichten der besten Klimaforscher der Welt. Der Bericht stellt jedoch nur den kleinsten gemeinsamen Nenner der politisch genehmen Erkenntnisse dar - die Lage ist in Wirklichkeit vielleicht viel schlimmer - oder besser.

Entsprechend unterschiedlich fallen die Interpretationen aus, die die deutschen Leitmedien als Schlagzeilen verkaufen:

Das Umweltbundesamt twitterte nüchtern:

  • "Heute Veröffentlichung des 2. Teilberichtes (Auswirkungen, Vulnerabilität, Anpassung) des 5. -Weltklimaberichts

Die Leiterin des UN-Sekretariats der Klimarahmenkonvention (UN Framework Convention on Climate Change - UNFCCC), Christiana Figueres, betonte in einer Stellungnahme: "The IPCC report makes clear that people around the world are already suffering from climate change, as it directly affects their livelihoods, reducing crops, destroying homes and raising food prices, and that this will accelerate if climate change is left unchecked. It provides a detailed assessment of regional aspects, which give a much clearer understanding of climate impacts in different regions. Among other things, the report warns that climate change increases the risk of armed conflict around the world because it worsens poverty and economic shocks. Therefore, climate change is already becoming a determining factor in the national security policies of states."

Figueres zieht die Schlussfolgerung: "This report requires and requests that everyone accelerate and scale up efforts towards a low carbon world and manage the risks of climate change in order to spare the planet and its people from the sobering forecasts outlined today by the IPCC. Fortunately, there is a real, tangible and credible momentum for change happening across the globe and in countries, communities and corporate board rooms."

Laut IPCC wäre ein Temperaturanstieg um 4°C gegenüber vorindustriellem Niveau, auf den die Menschheit derzeit zusteuert, mit hohen Risiken verbunden wäre. Der Bericht sagt drastische Folgen für Mensch und Natur in vielen Regionen der Welt voraus. Auch Europa könnte künftig von vermehrten Hitzewellen betroffen sein.

"Wir nehmen diese Risiken sehr ernst und haben in Deutschland bereits eine Anpassungsstrategie und einen Aktionsplan entwickelt", sagte Umweltministerin Barbara Hendricks. "Denn wir müssen uns die auf die unvermeidbaren Folgen des Klimawandels vorbereiten. Es gilt, die Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Lebensbereiche wie Stadt, menschliche Gesundheit, Verkehr oder Landwirtschaft abzuschätzen. Die resultierenden Herausforderungen sind vielfältig und reichen etwa von Frühwarnsystemen für Extremwetterereignisse bis zu städteplanerischen Anpassungskonzepten und konkreten Änderungen im Baurecht."

Auch international sieht sich die Bundesregierung in der Verantwortung: Das Bundesumweltministerium  finanziert mit der Internationalen Klimaschutzinitiative IKI seit 2008 Klimaschutz- und Biodiversitätsprojekte in Schwellen- und Entwicklungsländern in Höhe von insgesamt 1,4 Milliarden Euro. Das Volumen der anpassungsrelevanten Vorhaben daran beträgt aber nur 250 Millionen Euro.

KLIMAWISSENSCHAFTLER: "SCHLACHT UM DIE WAHRHEIT"

Unter Klimawissenschaftlern tobt indessen eine "Schlacht um die Wahrheit über die Globale Erwärmung", wie der Wissenschafts-Autor Fred Pearce schreibt. Der Blog "Watts Up With That" von  ("The world's most viewed site on global warming and climate change") warnt vor "Alarmismus", wie dem folgenden des Biologen Hans-Otto Pörtner vom Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung am Alfred-Wegener-Institut (AWI). Er hat an der Abstimmungsrunde zum zweiten Teil des fünften Weltklimaberichtes im japanischen Yokohama teilgenommen und erklärt, der aktuelle und projizierte Klimawandel verändere die Lebensbedingungen in den Ozeanen schneller als während vergleichbarer Ereignisse in den zurückliegenden 65 Millionen Jahren".

Der berühmte Umweltwissenschaftler und Erfinder der "Gaia"-These, James Lovelock, betrachtet seine Disziplin inzwischen mit Skepsis und kommt zu dem Schluss, Umweltschutz sei mittlerweile "zu einer Religion" geworden. Seine Botschaft hinsichtlich der vom Menschen gemachten Erderwärmung lautet: "It's just as silly to be a denier as it is to be a believer. You can't be certain."

Der jetzt veröffentlichte Teilbericht wurde von der Arbeitsgruppe II des IPCC erarbeitet:

"The IPCC Working Group II (WG II) assesses the vulnerability of socio-economic and natural systems to climate change, negative and positive consequences of climate change, and options for adapting to it. It also takes into consideration the inter-relationship between vulnerability, adaptation and sustainable development. The assessed information is considered by sectors (water resources; ecosystems; food & forests; coastal systems; industry; human health) and regions (Africa; Asia; Australia & New Zealand; Europe; Latin America; North America; Polar Regions; Small Islands)."

In den Medien und sozialen Netzwerken wird der 2. Teilbericht des 5. Sachstandsberichts, der sich - wie das UBA betont - auf die Themen "Auswirkungen, Vulnerabilität, Anpassung" konzentriert, heiss debattiert und entsprechend den eigenen Anforderungen interpretiert:

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Politisch noch zu debattierende Forschungsstände werden bereist als "Wissen" gewertet:

Die Arbeitsgruppen des IPCC, der von der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) und vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) gegründet wurde, diskutieren die bisher zusammengetragenen Forschungsergebnisse und stimmen Ende Oktober einen "Sythesis Report" ab:

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Der Synthesis Report (SYR) darf nur Material enthalten, das von den drei Arbeitsgruppen gesammelt wurde (entsprechend heikel ist die Auswahl der Wissenschaftler), und soll Politikern als Entscheidungsgrundlage dienen:

"As defined in the IPCC procedures, the Synthesis Report (SYR) synthesizes and integrates material contained within IPCC Assessment Reports and Special Reports. The SYR should be based exclusively on material contained in the three Working Group Reports and Special Reports produced during the 5th or previous Assessment Cycles. It should be written in a 'non-technical style suitable for policymakers and address a broad range of policy-relevant, but policy-neutral questions', as stated in the procedures of IPCC Reports. The SYR should be largely self-contained, but guide readers to the underlying material if they wish to look further."

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DIE ÖKONOMISCHE DIMENSION DES KLIMAWANDELS

Wie alles auf dieser Welt hat der Streit um die Deutungshoheit des Klimawandels eine wirtschaftliche Dimension. Der LBBW Global Warming-Fonds verzeichnete am Montagmorgen einen kräftigen Wertzuwachs (Grafik). Polen und Schottland werden zu Weinanbauländern, spezielle Klimafonds schießen wie Pilze aus dem Boden, der Handel mit CO2-Emissionszertifikaten in der EU hat eine neue Wertschöpfungskette geschaffen, die allerdings nur unzureichend funktioniert und europäische Unternehmen im Wettbewerb hemmt. Wegen des Preisverfalls der CO2-Zertifikate im Emissionshandel ist der deutsche "Energie- und Klimafonds" (EKF), der die nationale Energiewende finanziell flankieren und Mittel für die internationale Klimafinanzierung bereitstellen soll, derzeit in erheblichem Maße unterfinanziert.

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Nicht zuletzt weist der Weltklimarat darauf hin, dass wichtige Risiken bisher nicht ausreichend untersucht sind. Dabei gehe es auch um Risikokategorien, die für Deutschland, das stark vom Ex- und Import lebt, zentral seien, merkt Germanwatch an: Die Konsequenzen von Klimarisiken in Teilen der Welt für die globalen Handelsströme sind noch kaum erfasst. "Was passiert etwa, wenn wichtige Zulieferer in einer globalen Wirtschaft nicht mehr liefern können oder die Preise stark schwanken?", fragt der Politische Geschäftsführer von Germanwatch, Christoph Bals.

Ein "Core Writing Team" schreibt die endgültige Fassung des IPCC-Berichts. Der erste Teilbericht widmete sich den Beobachtungen, Ursachen und Projektionen des Klimawandels. Der dritte Band stellt Handlungsoptionen zur Vermeidung weiterer Treibhausgasemissionen dar und wird am 12. April in Berlin verabschiedet.

IPCC-Ressourcen:




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