Josephine GoroJolong (epo). - Beifälliges Murmeln und leises Gelächter laufen durch die Menge, als Josephine Goro die Menschen begrüßt. Hier in Jolong, mitten im 1000 bis 1500 Meter hoch gelegenen Jos-Plateau in Zentralnigeria, haben sich die Leute versammelt, um die Mitarbeitenden des Gemeindeentwicklungsprogramms (CCDP) der Kirche Christi in Nigeria (Church of Christ in Nigeria, kurz COCIN) willkommen zu heißen. Jedes Mal schafft es Josephine, die erwartungsvollen Dörfler mit einem Scherz aufzulockern und die Stimmung zu entkrampfen. Diese Begabung erstaunt bei der untersetzten, kräftigen und selbstbewussten Frau, denn sie selbst hat große Schwierigkeiten, gelöst zu wirken, wenn sie etwa fotografiert wird.

Sieben Jahre arbeitet die 1953 geborene Josephine Goro jetzt als Mitarbeiterin von CCDP in Projekten der ländlichen Entwicklung auf dem Jos-Plateau. Der Bedarf ist groß. Jolong zum Beispiel braucht eine neue Brücke, um besseren Zugang zu den Märkten der Umgebung zu bekommen und den Bewohnern des Ortes eine akzeptable Verkehrsanbindung zu bieten. Die Piste pflegen sie selber, indem sie die schlimmsten Schlaglöcher mit Schotter wieder auffüllen - eine harte Arbeit zusätzlich zur Landwirtschaft. Für die Brücke aber benötigen sie Unterstützung. Sie haben dafür schon Sand gewaschen und Schotter herbei geschafft, aber die Kosten für den Zement übersteigen die Möglichkeiten des Dorfes.

Hier springt das CCDP ein. Allerdings gibt es kein Geld, sondern nur die nötige Anzahl von Zementsäcken - und auch die erst, wenn die Behörden ihre Zusage erfüllt und Betonringe geliefert haben, durch die das Wasser unter der Brücke fließen soll. So beschränkt sich der Beitrag des Gemeindeentwicklungsprogramms auf circa 2000 Euro, erklärt Josephine. Die Kombination von Eigenleistungen der Dorfgemeinschaften, Sachspenden vom Gemeindeentwicklungsprogramm der COCIN (die immerhin fünf Millionen Kirchenglieder zählt) sowie staatlichen Leistungen bestimmt alle Projekte des CCDP auf den Dörfern. "Wir finanzieren niemals mehr als 30 Prozent der Gesamtkosten einer Maßnahme, denn nach unseren Erfahrungen können die Leute vor Ort und auch staatliche Stellen die restlichen Mittel aufbringen oder in Form von Arbeitsleistung beisteuern", sagt Josephine Zudem werde niemals Bargeld ausgezahlt, dessen Verwendung nicht wirklich zu kontrollieren sei.

Josephine Goro

Zunächst stellen Josephine und zehn Kollegen fest, wo die Menschen den dringendsten Bedarf sehen. "Natürlich habe ich eigene Vorstellungen davon, wie erfolgreiche Entwicklung aussieht", sagt Josephine. "Aber jeder Fall ist anders, und bald lernt man die Entscheidungen der Leute vor Ort zu schätzen." Die Bauern wüssten oft sehr genau, was am wichtigsten für sie sei. "Ihre Entscheidungen fällen sie sehr kompetent - auch wenn sie nicht zur Schule gegangen sind", betont Josephine. Weil sie von den Beteiligten aus jedem Projekt Neues lernen könne, profitiere sie auch persönlich von dieser Arbeit.

Josephine kombiniert ihre Expertise mit spürbarem Engagement in eigener Sache und mit einer intimen Kenntnis der sozialen Beziehungen. Sie kennt das Jos-Plateau, wo die Landbevölkerung fast ausschließlich vom Maisanbau lebt, wie ihre Westentasche. Denn Josephine ist selbst etwa 65 Kilometer südöstlich der Stadt Jos in einer Kleinstadt namens Panyam aufgewachsen und lebt heute noch dort. Die hier lebenden Menschen und das Schicksal der gesamten Region bedeuten ihr ganz offensichtlich auch persönlich eine Menge. Sie hat fünf Kinder, vier Jungen und ein Mädchen. Der älteste Sohn ist mittlerweile Rechtsanwalt, während der Jüngste noch zur Schule geht und demnächst Abitur macht. Geheiratet hat sie 1973, kurz vor dem Ende ihrer Ausbildung.

Nachdem sie Abitur gemacht und eine dreijährige Berufsausbildung zur Hebamme und Krankenschwester abgeschlossen hatte, engagierte sie sich für die Verbesserung der Lebensbedingungen zu Hause: In ihrem Heimatort Panyam unterstützte sie COCIN beim Aufbau der Gesundheitsstation, in der sie vor ihrer Tätigkeit für das CCDP fast 23 Jahre lang gearbeitet hat. Bei Thema Basisgesundheitsversorgung ist Josephine deshalb in ihrem Element und wartet mit einer Fülle an Details auf, die deutlich machen, wie kompliziert eine scheinbar so einfache Sache sein kann.

Wenn eine neue Gesundheitsstation eingerichtet wird, errichten die Nutznießer das Gebäude, unterstützt von Sachspenden der CCDP. Das Gehalt für die Krankenschwester zahlt der Staat. Das CCDP muss allerdings zusätzlich für die Geräte sorgen. Gebraucht werden vor allem ein Mikroskop zur Erkennung von Malariainfektionen, ein Gerät zur Blutdruckmessung und ein Stethoskop. Auch die Erstausstattung mit Medikamenten, Desinfektionsmitteln sowie Spritzen und weiteren Hilfsmitteln stellt das CCDP. Diese Materialien müssen dann bei Verbrauch von den Kranken bezahlt werden. Die Behandlung selbst ist umsonst. "Dadurch können die CCDP-Gesundheitsstationen ihre Dienste preiswerter anbieten als private Einrichtungen", freut sich Josephine.

Nigeria

Wenn irgend möglich, werden die Medikamente nicht auf dem freien Markt beschafft, denn in Nigeria gibt es eine gut organisierte Mafia, die gefälschte Arzneien vertreibt. Beliefern lassen sich christliche Gesundheitseinrichtungen bevorzugt von einer landesweit operierenden christlichen Vereinigung (Christian Health Association of Nigeria, CHAN), die direkt in den Niederlanden einkauft. "Leider gibt es oft Schwierigkeiten mit dem Nachschub", klagt Josephine, "weil die Zollbefreiung immer wieder Probleme bereitet."

In der Gesundheitsstation in Panyam wird Josephine von ihrer Nachfolgerin sehr respektvoll begrüßt. Im einem der frisch gestrichenen Krankenzimmer mit nur zwei Betten sitzt eine junge, glückliche Mutter und wiegt ihr erstes Baby auf dem Schoß. Ganz in ihrer alten Rolle gibt Josephine nebenbei ein paar Tipps. Als sie aber einige Einwegspritzen entdeckt, die nicht ordnungsgemäß entsorgt sind, spart sie auch nicht mit deutlichen Worten.

Heute ist die Gesundheitsstation in Panyam schon lange keine ausschließlich kirchlich getragene Einrichtung mehr. Zusammen mit den lokalen Behörden hat sie mittlerweile den Status einer Gesundheitseinrichtung "dritten Grades" - die höchste Stufe, auf die nur noch der Ausbau zu einem richtigen Krankenhaus folgen kann. Josephine aber hat es seinerzeit vorgezogen, als Angestellte der Kirche weiter zu machen und zudem betrachtet sie es als einen "ganz logischen Schritt", nach der Arbeit im Gesundheitswesen nun einen "ganzheitlicheren und integrierten Ansatz" zu verfolgen und in die Gemeinwesen-Arbeit einzusteigen.

"Von den CCDP-Projekten profitieren alle", bekräftigt Josephine, nachdem sie sich wieder beruhigt hat, "selbstverständlich auch die Muslime". Die bilden hier auf dem Jos-Plateau eine starke Minderheit - die Zahlenangaben schwanken zwischen 25 und 35 Prozent. "Oft stehen die Muslime den von CCDP geförderten Projekten erst einmal skeptisch gegenüber", berichtet sie. Doch das ändere sich schnell, wenn deutlich werde, dass sie die Verbesserungen nutzen können, ohne zum Christentum konvertieren zu müssen.

Nicht nur die Muslime auch viele andere Menschen müssten überzeugt werden, dass es sinnvoll sei, Verbesserungen, die allen zugute kommen sollen, auch gemeinschaftlich zu erarbeiten. "Wenn die verschiedenen Interessen vor Ort nicht miteinander vereinbar sind oder die Menschen nicht ausreichend mobilisiert werden können, drohen wir, das Projekt ganz aufzugeben." Schließlich gebe es viele Dörfer, die dringend auf Unterstützung warten. Habe sich ein Dorf jedoch entschlossen, ein Projekt anzupacken, handele es sich meistens um Straßen- und Brückenbau, um Schulneu- oder -erweiterungsbauten, um den Aufbau einer Basis-Gesundheitsstation oder manchmal auch um die Verbesserung der Wasserversorgung.

Kids in Nigeria

COCIN arbeitet seit rund zehn Jahren mit dem Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) zusammen. Gemeinsam finanzieren sie das CCDP, wobei der EED derzeit mehr als die Hälfte der Kosten trägt. COCINs Anteil besteht zum Teil in direkten finanziellen Zuwendungen aus der Kollekte, zum Teil übernimmt die Kirche auch Verwaltungskosten des Entwicklungsprogramms und natürlich die Auswahl des Personals. Der EED ist derzeit die einzige Partnerorganisation aus einem Industrieland, die die Arbeit von CCDP gezielt unterstützt. Am Ort ist deutlich zu spüren, wie viel den Menschen an dieser Unterstützung liegt. Das ist nicht nur wegen des Geldes so, sondern auch weil staatliche Stellen in Nigeria die ländliche Bevölkerung üblicherweise völlig im Stich lassen, wenn nicht ethnische Zugehörigkeiten einzelne einflussreiche Persönlichkeiten zum Handeln zwingen.

Das Engagement von Josephine, aber auch von den anderen CCDP-Mitarbeitern ist bemerkenswert. "Die normale Arbeitswoche hat zwar nur fünf Tage, aber damit komme ich selten aus," erzählt sie. "Wir sind willens und in der Lage, noch mehr zu erreichen", bekräftigt sie und äußert die Vermutung, dass den Partnern im Norden mehr Unterstützung möglich wäre, wenn Nigeria nicht einen so schlechten Ruf hätte. Sie ist sich sicher, dass dieses schlechte Renommee die Entwicklungszusammenarbeit behindert. Wohl auch deshalb hat sie sich in den letzten Tagen so viel Mühe gegeben, klar zu stellen, dass kein Naira aus der Projektarbeit in unbefugte Hände gerät. Josephine wünscht sich, dass häufiger jemand die Partner auf dem Jos-Plateau besuchen sollte: "Es müssten mehr Leute kommen und sich vor Ort informieren", meint sie. Dann würde schnell klar werden, dass "die allermeisten Nigerianer keine Diebe sind und das Geld für die Projekte nicht verschwendet wird". Sie wirkt zwar verärgert, aber nicht persönlich gekränkt. Aber sie geht offensichtlich davon aus, dass Vorurteile das Image Nigerias im Ausland bestimmen, denn in der abschließenden Diskussion fordert sie noch einmal energisch: "Die Menschen im Norden sollten sich mehr Mühe geben, die Wahrheit über unser Land herauszufinden, bevor sie urteilen."

Uwe Kerkow
Fotos:  Uwe Kerkow


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