kimawandel marschallinseln ban unHamburg. - "Als ich jung war, wurde unser Garten noch nicht überflutet – und wir erlebten nicht, wie ein tropischer Sturm nach dem nächsten über die tropischen Inseln fegte." So hat Tommy Remengesau, der Präsident von Palau, die Auswirkungen des Klimawandels auf seine pazifische Heimat wahrgenommen. Viele Menschen auf den pazifischen Inseln erkennen solch dramatische Veränderungen und warnen die Weltgemeinschaft vor den Folgen eines "weiter so" bei klimaschädlichen Emissionen. Sie fürchten, dass sie oder ihre Kinder ihre Heimat verlassen müssen, weil diese im Meer versinken könnte. Von Frank Kürschner-Pelkmann

Die Marshallinseln gehören zu den Inselgruppen, die besonders stark von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. Mitte 2013 litten die Bewohner der nördlichen Inseln unter Dürre und Wassermangel, während über den Süden starke Stürme mit heftigen Niederschlägen hinwegzogen. Seriöse Klimawissenschaftler sind sich einig, dass weltweit die Extremwetterereignisse durch die globale Erwärmung verstärkt haben und dieser Prozess sich in den nächsten Jahrzehnten noch beschleunigen wird. In der südpazifischen Region lässt sich studieren, wie sich dies konkret auswirkt. Die Weltregion, die am wenigsten zum globalen Klimawandel beigetragen hat, ist am stärksten von seinen Folgen betroffen.

Tony de Brum, Regierungsmitglied der Marshallinseln, berichtete im Juni 2013: "Tausende meiner Mitbürger im Norden sind durstig und hungrig, Tausende von uns hier im Süden werden vom Meerwasser durchnässt." Viele Inseln und Atolle der Marshallinseln und der Nachbarstaaten sind von einer Erosion der Korallenriffe und der Uferzonen betroffen, und vereinzelt dringt bereits Salzwasser in die kostbaren kleinen unterirdischen Süßwasserlinsen ein, ohne die ein Leben auf den Atollen unmöglich wäre. Wenn der Meeresspiegel im Südpazifik tatsächlich bis 2100 um zwei Meter steigen sollte, wäre dies zum Beispiel für die Bewohner der 500 flachen Atolle des mikronesischen Staaten Palau eine Katastrophe.

VON DER INTERNATIONALEN GEMEINSCHAFT KAUM BEACHTET

Die internationalen Reaktionen auf die Appelle der Bewohner der pazifischen Inselstaaten zu einem entschlossenen Klimaschutz sind wenig überzeugend. Die Regierungen der Industrieländer, die als primäre Verursacher des globalen Klimawandels feststehen, finanzieren einzelne Projekte zum Schutz der pazifischen Inselstaaten vor den schlimmsten Folgen des Klimawandels und für eine Reduzierung der ohnehin geringen klimaschädlichen Emissionen dieser Länder. Auch zeigen sie bei passender Gelegenheit verbal Verständnis für die Sorgen der Regierungen der pazifischen Inselstaaten.

Aber bei internationalen Klimakonferenzen wie zuletzt in Warschau Ende 2013 haben die Delegationen der pazifischen Staaten und anderer kleiner Inselentwicklungsländer größte Mühe, für ihre Anliegen Gehör zu finden. Bestenfalls lässt man sie ihre Anliegen vortragen, so die Forderung nach einer Begrenzung des globalen Temperauranstiegs auf 1,5 Grad Celsius. Dann kehrt man wieder zu den "eigentlichen" Verhandlungen zurück, bei denen es allenfalls noch darum geht, den Anstieg auf 2 Grad zu begrenzen, aber doch bitte so, dass die heimische Kohlewirtschaft und Energieerzeugung aus Kohle keinen Schaden nehmen. Die US-Regierung und in ihrem Gefolge eine zunehmende Zahl von Regierungen aus Industrie- und Schwellenländern finden mittlerweile Gefallen an dem Gedanken, in einem geplanten internationalen Abkommen überhaupt keine verbindlichen Verpflichtungen zu Emissionsreduzierungen einzugehen und "flexible" Verhandlungsergebnisse anzustreben.

Auch die Rolle der internationalen Medien ist ambivalent. Als im Juni 2013 der Flughafen von Majuro, der Hauptstadt der Marshallinseln, überflutet und Teile der Stadt zerstört wurde, war dies ausländischen Zeitungen und Fernsehsendern allenfalls (!) eine Kurzmeldung wert. Mehr Beachtung fand dann im Oktober 2013 der Versuch von Ioane Teitiota aus Kiribati, in Neuseeland als Flüchtling aufgrund des Klimawandels anerkannt zu werden. Rund um den Globus wurde über den möglicherweise ersten anerkannten "Klimaflüchtling" berichtet. Aber als dann nach einigen Wochen der Antrag vom obersten Gericht Neuseelands abgelehnt wurde, da war das Medieninteresse an dem Fall längst wieder geschwunden. Ein Erfolg des Klägers hätte vermutlich neues Medieninteresse entfacht, aber wo der Mann nun doch nicht als erster "Klimaflüchtling" anerkannt wurde, da schien eine Berichterstattung nicht mehr zu lohnen.

UMSIEDLUNGEN – EIN KOMPLEXER PROZESS

Leider ist der Umgang der Zivilgesellschaft mit den klimabedingten Problemen in der pazifischen Region ebenfalls nicht durchgehend überzeugend. Spezialisierte Organisationen und Einrichtungen wie die "Pazifik-Informationsstelle" in Neuendettelsau berichten differenziert über die Folgen des Klimawandels in der Region. Andere Nichtregierungsorganisationen nutzen die versinkenden pazifischen Inseln als Menetekel, das auf den drohenden Untergang unserer bewohnten Erde hinweist, ohne sich näher mit Details zu befassen.

Dann würde zum Beispiel deutlich, dass nicht nur versinkende Atolle zu befürchten sind, sondern zum Beispiel auch große überflutete Küstenregionen auf der Insel Neuguinea. Die Küstenbewohner können nicht einfach in höher gelegene Gebiete umziehen und damit ihre Probleme lösen. Entgegen naiven Vorstellungen gibt es keine "herrenlose" Urwaldgebiete, in denen man einfach Bäume fällen und ein neues Dorf anlegen kann. Auch wird zu wenig beachtet, dass man pazifische Inselvölker nicht einfach woanders hin umsiedeln kann, ohne dass ihre Kultur und Identität schweren Schaden nimmt.

2008 war die Zukunft der Carteret-Inseln vor der Küste Neuguineas so gefährdet, dass die Bevölkerung einiger kleiner Inseln auf die benachbarte größere Insel Bougainville umgesiedelt werden sollte. Die internationale Nichtregierungsorganisation "Displacement Solutions" erklärte sich bereit, diesen Prozess zu unterstützen. Es gelang, einen Landeigentümer auf Bougainville für den Verkauf einer größeren Landfläche zu gewinnen. Aber das Geld für den Landkauf kam nicht rechtzeitig an. Die Folge: Die meisten zunächst Umsiedlungswilligen blieben auf ihren Heimatinseln und kämpfen dort bis heute um das eigene Überleben und den Erhalt ihrer Heimat. Viel Beachtung und Unterstützung finden sie dabei nicht – es fehlt (noch) ein spektakuläres Ereignis wie der dramatische Untergang einer Insel.

DIE AUFGABE DER INSELN WÄRE DAS EINGESTÄNDNIS DES SCHEITERNS

Viel spricht dafür, dass der Klimawandel in ganz kleinen Schritten die Lebensgrundlagen der Menschen auf den pazifischen Inseln zerstören wird, auch wenn es von Zeit zu Zeit zu einzelnen verheerenden Katastrophen kommen kann. Wer lediglich auf den nächsten Untergang eines Atolls wartet, hat die Dynamik des Klimawandels im pazifischen Raum nicht verstanden. In den Industrieländern gilt es endlich wahrzunehmen, dass dieser Prozess nicht spektakulär, sondern schleichend in winzigen Schritten erfolgt. Dass ein Atoll im Meer versinkt, während das Auslegerboot mit den letzten Insulanern im Abendlicht davonsegelt, sollte einem späteren Hollywoodfilm überlassen werden, die Realität ist viel komplexer.

Der schon zitierte Minister Tony de Brum von den Marshallinseln warnt davor, dass sein Land durch den steigenden Meeresspiegel von den Weltkarten verschwinden wird: "Dass dies Inch für Inch geschieht, macht die Situation nicht im Geringsten weniger verzweifelt oder weniger dringend. Dies ist eine katastrophale Notsituation." Er hält aber nichts davon, schon jetzt die Umsiedlung der Bevölkerung ganzer Inselstaaten zu planen: "Wenn wir das tun würden, bedeutete es, dass wir unser Scheitern eingestehen." Stattdessen plädiert er für sehr viel größere Anstrengungen zur Begrenzung des Temperaturanstiegs und zur Anpassung an die nicht mehr zu vermeidenden Folgen des Klimawandels.

FÜR VERLUSTE AUFKOMMEN UND WARNUNGEN ERNST NEHMEN

Die Regierungen der pazifischen Inselstaaten haben diese komplexen Prozesse längst verstanden, und deshalb stellen sie gegenwärtig der Frage der Entschädigung für Verluste und Schäden ("loss and damage") durch jene Staaten in den Vordergrund, die den Klimawandel zu verantworten haben. Die pazifischen Staaten, die anderen Inselstaaten im Süden der Welt und die Gruppe der Entwicklungsländer haben bei der UN-Klimakonferenz in Warschau dafür gesorgt, dass dieses Thema einen prominenten Platz auf der Tagesordnung der internationalen Klimaverhandlungen erhält.

Erforderlich sind zahlreiche planvoll aufeinander abgestimmte Programme und Projekte, die den Menschen auf den Inseln und Atollen eine gesicherte Zukunft ermöglichen. Dabei muss man keineswegs bei null anfangen. So hat es zum Beispiel der Inselstaat Tokelau als erstes Land der Welt geschafft, seine gesamte Energieerzeugung auf Solaranlagen umzustellen. Andernorts hat man Erfolge bei der Stärkung von Korallenriffen und beim Schutz der Uferzonen vor Erosion erzielt.

Daneben und verknüpft damit warnen die politischen und kirchlichen Vertreter der pazifischen Inselstaaten weiterhin vor den Folgen eines ungebremsten Klimawandels für die ganze Erde. Am 25. September 2013 erklärte Anote Tong, der Präsident von Kiribati, vor der UN-Generalversammlung: "Wir sind auf katastrophale Weise vom rechten Kurs abgekommen. Die Wissenschaftler sagen uns, dass uns allen Unheil bevorsteht – nicht nur den flachen Inseln. Was wir heute auf den flachen Atollen erleben, ist eine erste Warnung im Blick auf das, was bald auf alle zukommt. Niemand wird ausgenommen. Wir können unseren Planeten nicht weiter auf die bisherige Weise misshandeln. Für die Zukunft, die wir unseren Kindern und Enkeln wünschen, brauchen wir eine kluge Führung."

Foto: Secretary-General Ban Ki-moon (right) and Amberoti Nikora, Minister of Environment, Lands and Agricultural Development of the Republic of Kiribati, watch a high tide in the village of Bairiki, on Kiribati's Tarawa atoll. Climate change has affected the tides in this low-lying area. © UN

kuerschner-pelkmann frankFrank Kürschner-Pelkmann lebt in der Nähe von Hamburg, arbeitet als freier Journalist und betreibt u.a. die Website www.wasser-und-mehr.de.

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