Genf/Bonn (epo). - Nach dem Scheitern der Sitzung des Allgemeinen Rates im Juli ist am Donnerstag auch die Oktober-Sitzung der Welthandelsorganisation (WTO) ohne Ergebnis zu Ende gegangen. Die Vorbereitungen für die WTO Ministerkonferenz vom 13.-18. Dezember in Hongkong hätten damit einen schweren Schlag erlitten, erklärte der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) in Bonn. Vermutlich werde man bis Mitte November eine Einigung darüber suchen, was auf der Hongkong-Konferenz überhaupt noch erreicht werden kann.
"Für die Entwicklungsländer ist dies eine gute Nachricht. Auch wenn die alten, für sie nachteiligen Handelsregeln nun vermutlich noch länger gelten werden, war für die meisten Länder des Südens in den laufenden Verhandlungen kein Blumentopf zu gewinnen", sagte Michael Frein vom EED. Insbesondere hätten Entwicklungsländer ihre Märkte für Industriegüter und Dienstleistungen aus Industrieländern weiter öffnen müssen, ohne dass die allermeisten von ihnen in diesen Bereichen selbst Exportchancen hätten.
Im Bereich Landwirtschaft sehe dies jedoch anders aus, so Frein. Entwicklungsländer wie Brasilien hätten hier massive Exportinteressen. Sie würden von offeneren Agrarmärkten fraglos profitieren. Gleichzeitig drohten jedoch viele kleine und arme Entwicklungsländer zu den Verlierern einer solchen Politik zu werden. Ihre Märkte würden Gefahr laufen, von billigerer ausländischer Konkurrenz erobert zu werden, befürchtet der EED. Viele Kleinbauern könnten in dem zu erwartenden Preiskampf nicht mithalten. Und dass die WTO Mechanismen erlauben würden, Kleinbauern ausreichend zu schützen, sei keineswegs gesichert. "Das Scheitern von Genf ist aus entwicklungspolitischer Sicht nicht zu bedauern. Und was für Genf gilt, gilt auch für Hongkong: Lieber kein Ergebnis als ein schlechtes Ergebnis", kommentierte Michael Frein die Situation.
Gescheitert sind die Genfer Verhandlungen nach den Beobachtungen des EED an einem nicht zu überbrückenden Konflikt im Bereich Landwirtschaft. Die Angebote der EU zur Öffnung ihrer Märkte gingen den USA und den in der Gruppe der 20 (G20) zusammengeschlossenen wichtigen Entwicklungsländern wie Brasilien und Indien nicht weit genug. Der europäische Verhandlungsführer, EU-Kommissar Peter Mandelson, habe jedoch nicht das Mandat gehabt, ein weitergehendes Angebot auf den Tisch zu legen. In einer EU-internen Abstimmung sie er zuvor "von Frankreich und einigen anderen EU-Mitgliedsstaaten an die kurze Leine genommen worden", so der EED.
Für die Ministerkonferenz in Hongkong wird damit immer unwahrscheinlicher, dass der große Durchbruch zu einer "Entwicklungsrunde" gelingt. Ein komplettes Scheitern ist nach der Analyse des EED aber ebenfalls unwahrscheinlich. "Vielmehr ist zu vermuten, dass man in den nächsten Wochen in Genf die Messlatte für einen Erfolg in Hongkong so tief hängen wird, dass ein Reißen praktisch ausgeschlossen werden kann", erwartet der EED.
Der EED ist ein Entwicklungswerk der evangelischen Kirchen in Deutschland. In über 80 Ländern der Welt fördert der EED Entwicklungsprogramme, die sich für den Aufbau gerechter Gesellschaften einsetzen. Partner des EED sind Kirchen, ökumenische Organisationen und Nichtregierungsorganisationen in Afrika, Asien, Lateinamerika und Südosteuropa.