Valparaíso/Santiago. - Das chilenische Parlament hat mit großer Mehrheit der Gesetzesvorlage des Senats zum neuen Wahlsystem zugestimmt. Damit wird das bisher angewandte binominale System aus der Zeit der Diktatur abgeschafft. Die zukünftige Verhältniswahl soll den Einzug kleiner Parteien in den Kongress begünstigen, auch die Anzahl der Sitze in beiden Kammern wird erhöht. Zusätzlich wird bis 2029 eine Geschlechterquote von 40 Prozent für Wahllisten etabliert.
Mit der erfolgreichen Annahme des Gesetzes am vergangenen Dienstag durch das Abgeordnetenhaus wird nun ein programmatischer Eckpfeiler der Staatspräsidentin Michelle Bachelet in die Tat umgesetzt. Bereits in ihrer ersten Amtszeit als Präsidentin (2006 – 2010) bemühte sie sich um eine Reform des Wahlsystems, das während der Diktatur Augusto Pinochets (1973 – 1990) etabliert wurde, scheiterte jedoch damit. Vergangenen August hatte das Parlament zwar bereits das Gesetzesvorhaben der Regierung verabschiedet, musste aber auf die Zustimmung des Senats warten, die erst vergangene Woche erfolgte. Auch wenn die zweite Kammer das Gesetz in einer 20-stündigen Sitzung minimal änderte, galt die Entscheidung des Senats als historisch. Wie auch in der darauf folgenden Abstimmung im Parlament zu den gemachten Änderungen, war die Regierung auf Stimmen aus der Opposition angewiesen.
Erleichtert zeigten sich dementsprechend alle Regierungsmitglieder, allen voran Präsidentin Bachelet. Das neue System "wird eine bessere Repräsentation, sowie mehr und bessere Ideen im Parlament erlauben", kommentierte das Staatsoberhaupt bereits die Entscheidung des Senats. Die Veränderung sei lange ersehnt worden und äußerst nötig, um die Politik des Landes zu verändern, ergänzte Bachelet.
Das bisherige binominale System war in 60 Wahlbezirke und 19 Wahlregionen gegliedert, aus denen die zwei stärksten Kandidaten ins Repräsentantenhaus beziehungsweise den Senat entsendet wurden. Ab einem Wahlergebnis von 66 Prozentpunkten entfielen beide Sitze auf eine Partei, die restlichen Stimmanteile wurden nicht berücksichtigt, wie auch in der britischen und US-amerikanischen Mehrheitswahl. Dies führte in den vergangenen Jahrzehnten zur Überrepräsentation des rechten Spektrums und Verfestigung der zwei politischen Blöcke.
Mit der zukünftigen Verhältniswahl soll der politische Wählerwille viel stärkeren Einfluss auf die Sitzverteilung in den parlamentarischen Kammern haben. Unabhängigen Kandidaten und kleinen Parteien soll so der Parlamentseinzug erleichtert werden. Hierzu wird zusätzlich die Anzahl der Abgeordneten von 120 auf 155 und die Senatorensitze von 38 auf 50 erhöht. Gleichzeitig wird es nur noch 28 Wahlbezirke geben, sodass durchschnittlich fünf Volksvertreter aus ihnen hervorgehen. Zusätzlich wurde auch einer temporären Klausel bis zum Jahr 2029 zugestimmt, die auf den Wahllisten einen maximalen Anteil von 60 Prozent eines Geschlechts vorsieht.
Angewendet werden soll das neue Gesetz erstmals bei den nationalen Wahlen 2017. Bevor es jedoch in Kraft treten kann, muss das Verfassungsgericht noch einer offiziellen Beschwerde einiger rechts-konservativer Abgeordneter nachgehen.
(Dieser Artikel ist zuerst auf amerika21.de erschienen. Er wird im Rahmen einer Content-Partnerschaft auf epo.de publiziert.)
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