Darmstadt. - Die Urbanisierung und Verstädterungsdynamik ist nirgendwo in der Welt so ausgeprägt wie in Subsahara-Afrika. Städte wie Dar es Salaam in Tansania oder Nairobi in Kenia wachsen jedes Jahr um mehrere hunderttausend Einwohner – was sie vor enorme Herausforderungen stellt, nicht zuletzt im Versorgungsbereich. Die TU Darmstadt und die Goethe-Universität Frankfurt erforschen den Strukturwandel afrikanischer Megastädte jetzt in einem gemeinsamen Promotionskolleg.
Die Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf und die Graduiertenschule für Stadtforschung URBANgrad, eine fachbereichsübergreifende wissenschaftliche Einrichtung der Technischen Universität Darmstadt, bewilligten die Förderung für das gemeinsames Promotionskolleg mit dem Titel "Strukturwandel und nachhaltige Versorgung afrikanischer Städte". Zusätzlich nahm die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) je einen Partner aus Darmstadt und Frankfurt in ihr Schwerpunktprogramm "Adaption und Kreativität in Afrika" auf.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TU und der Goethe-Uni schauen in ihrem gemeinsamen Promotionskolleg ganz genau hin: Sie untersuchen historische, gesellschaftliche Veränderungen ebenso wie die Auswirkungen auf die Energie- und Wasserversorgung, die Abwasserentsorgung, das Transport- oder Telekommunikationssystem.
UNGEPLANTE SIEDLUNGSENTWICKLUNG
Mit den Hochschulen in den beiden Hauptstädten in Ostafrika unterhalten die Wissenschaftler schon seit Jahren Kooperationen. Ausgewählt haben die Forscher Dar es Salaam und Nairobi, weil die Metropolen zahlreiche Gemeinsamkeiten aufweisen und somit besser zu vergleichen sind. "Beide sind ehemalige britische Kolonialstädte mit starken Bevölkerungsanstieg und ungeplanter Siedlungsentwicklung", sagt Jochen Monstadt, Professor für Raum- und
Infrastrukturplanung im Fachbereich Architektur der TU Darmstadt. Kenia sei als Wissenschaftsstandort dynamischer, jedoch die Sicherheitslage dort schwieriger und die ethnischen Spannung seien größer als in im wirtschaftlich stärker wachsenden Tansania, so der 48-Jährige.
Die Darmstädter und Frankfurter Wissenschaftler und Promovierenden untersuchen bei ihren Forschungsvorhaben unter anderem das Wasser- und Abwassersystem der Hauptstädte. In der rund 4,8 Millionen-Einwohner-Stadt Dar es Salaam handelt es sich bei bis zu 80 Prozent der Siedlungen um ungeplanten Städtebau, wo kein flächendeckender Anschluss an zentrale Strom- und Wassernetze vorhanden ist und alternative Lösungen die Versorgung gewährleisten, etwa Wasserkioske und -händler oder informelle "Spaghetti-Leitungen", häufig jedoch zu hohen Kosten.
Zugleich sind nur rund zehn Prozent der Bevölkerung an ein zentrales Abwassernetzsystem angeschlossen, mit entsprechenden hygienischen und gesundheitlichen Folgen. Eine Promovierende befasst sich daher unter anderem auch mit der Frage, wie die Rolle von Frauen in Siedlungen ohne Sanitäreinrichtungen aussieht. Die Forscher untersuchen jedoch auch Themen wie die Regenwasser-Bewirtschaftung, das Transportsystem oder die Internet-Entwickler Communities in den ostafrikanischen Metropolen. Wie verändert es die Infrastrukturversorgung und Stadtentwicklung, wenn rund 90 Prozent der Einwohner ein Handy besitzen und damit zunehmend mittels der in Kenia erfundenen mobilen Währung M-Pesa Bus oder Strom- und Wasserrechnungen bezahlen?
Um diese Fragen zu ergründen, verbringen die Promovierenden und Wissenschaftler mehrere Wochen und Monate im Jahr zu Feldforschungen in den afrikanischen Städten. Die Doktoranden des Afrikakollegs sind eine interdisziplinäre und internationale Gemeinschaft. Sie stammen aus Frankreich, Belgien, Indien, Deutschland und drei ostafrikanischen Ländern. Sie sind Städte- und Raumplaner, Architekten, Geografen oder Historiker.
Stehen am Ende ihrer Forschungsvorhaben auch Handlungsvorschläge? "Es geht vor allem um Grundlagenforschung zur Geschichte und aktueller Trends afrikanischer Städte und ihrer Planung, weniger aber um die Beratung afrikanischer Kollegen oder Praxispartner", sagt Jochen Monstadt. Der Professor umgeht den Begriff der Entwicklungshilfe und nennt als Ziel lieber "einen verbesserten Wissenschaftsaustausch".
Quelle: www.tu-darmstadt.de