Freiburg. - Mehr als fünf Millionen Deutsche emigrierten im 19. Jahrhundert nach Nordamerika, viele aus dem süddeutschen Raum. Sie flohen vor Armut, Krieg und Revolution – und vor starken Klimaschwankungen. Wie eine neue Studie Freiburger Forscher zeigt, waren diese Klimaschwankungen eine der Hauptursachen der Migrationswellen aus der Region des heutigen Landes Baden-Württemberg nach Nordamerika. Mit ihrer Studie wollen die Forschenden zur Diskussion über die Ursachen für Migration beitragen, da Experten auch angesichts der zukünftigen Klimaveränderungen Massenauswanderungen erwarten.
Die Studie von Prof. Dr. Rüdiger Glaser, Dr. Iso Himmelsbach und Annette Bösmeier vom Institut für Umweltsozialwissenschaften und Geographie der Universität Freiburg ist im Fachjournal "Climate of the Past" der European Geosciences Union erschienen.
"In unserer Studie haben wir herausgefunden, dass die Migration im 19. Jahrhundert zu 20 bis 30 Prozent auf klimatische Bedingungen zurückzuführen ist", sagte Rüdiger Glaser. Bekannt war bisher, dass das so genannte Jahr ohne Sommer 1816 viele Menschen zur Auswanderung bewog. Ein Jahr zuvor war der Vulkan Tambora auf Indonesien ausgebrochen, dessen Asche und Gas sich in der Atmosphäre verteilte und einen mehrjährigen Temperatursturz auf der ganzen Welt verursachte. Ernteeinbußen und stark gestiegene Getreidepreise waren die Folge dieses zu feuchten und kalten Sommers.
Aus der Studie des Forschungsteams geht nun hervor, dass auch die weiteren fünf Migrationswellen in den folgenden Jahrzehnten durch klimatische Extreme beeinflusst wurden. Beispielsweise auch im Spitzenjahr 1846, in dem ein heißer und trockener Sommer die Ernte ausfallen ließ. "Unsere Analyse macht deutlich, dass es eine Kettenreaktion gab: Schlechte Wetterbedingungen führten zu geringen Ernteeinträgen, steigenden Weizenpreisen und schließlich zur Migration", erklärte Glaser. Die Forschenden analysierten Auswanderungs-, Bevölkerungs- und Erntestatistiken, Wetterdaten und Weizenpreise des 19. Jahrhunderts.
Der Einfluss des Klimas fällt für die einzelnen Migrationswellen jedoch unterschiedlich stark aus. So haben Glaser und sein Team für die größte von ihnen zwischen 1850 und 1855 andere maßgebliche Faktoren ausgemacht. Ein Exportstopp Frankreichs während des Krimkrieges habe beispielsweise den deutschen Getreidemarkt in dieser Zeit unter Druck gesetzt.
Originalpublikation: Glaser, R., Himmelsbach, I., and Bösmeier, A.: Climate of migration? How climate triggered migration from southwest Germany to North America during the 19th century, Clim. Past, 13, 1573–1592, doi:10.5194/cp-13-1573-2017.
Quelle: www.uni-freiburg.de