Göttingen. - Vor dem Besuch von Außenminister Heiko Maas (SPD) bei der Afrikanischen Union (AU) in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) vor zu hohen Erwartungen an das Staatenbündnis gewarnt. "Das Auswärtige Amt lobt die AU als Stabilitätsanker. Doch die Organisation gleicht mehr einem Schleppanker, der fälschlich den Eindruck erweckt, Halt zu geben", erklärte GfbV-Direktor Ulrich Delius am Donnerstag in Göttingen.
Delius wies darauf hin, dass die AU beim Kampf gegen Straflosigkeit in Afrikas größten Menschenrechtskrisen im Südsudan, Kongo, Sudan, Äthiopien und der Zentralafrikanischen Republik versage. "Zudem schüren einige AU-Mitgliedsstaaten bewaffnete Konflikte in Nachbarländern durch Rüstungslieferungen", kritisierte der Menschenrechtler. "So lange die AU von Mitgliedsstaaten für ihre nationalen Interessen missbraucht wird, kann von einer stabilisierenden Rolle des Staatenbündnisses keine Rede sein. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und gute Regierungsführung haben für viele AU-Staaten keine Priorität. So wird man ein konsequentes Engagement der AU für die Umsetzung dieser Werte auch weiter vermissen."
Delius verwies besonders auf das Versagen der AU beim Kampf gegen Straflosigkeit im Südsudan. Gemäß einem im August 2015 unterzeichneten völkerrechtlich verbindlichen Friedensabkommen sollte die AU einen mit südsudanesischen und anderen afrikanischen Richterinnen und Richtern besetzten Gerichtshof aufbauen, um die Verantwortlichen für die schweren Gräueltaten im Bürgerkrieg zur Rechenschaft zu ziehen. Doch dagegen leiste die Regierung des Südsudan so entschieden Widerstand, dass es bis heute keine nennenswerten Fortschritte beim Aufbau des gemischten Gerichtshofes gebe.
"Das Versagen der AU begünstigt neue schwere Menschenrechtsverletzungen im Südsudan, da die Täter keine Strafverfolgung befürchten müssen", sagte Delius. Seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs im Dezember 2013 seien dort mehr als 50.000 Menschen bewaffneten Konflikten, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen zum Opfer gefallen.
"Auch schwieg die AU wochenlang, als in den Jahren 2016/2017 vor ihren Toren in Addis Abeba äthiopische Sicherheitskräfte willkürlich friedlich demonstrierende Oromo und Amhara niederknüppelten, internierten, folterten und ermordeten", kritisierte Delius. "Indem sie der Gewalt ihres einflussreichen Gastgebers zusah, hat die AU ihre Glaubwürdigkeit in Menschenrechtsfragen verspielt." Auch im Fall der Demokratischen Republik Kongo habe die AU bei ihren Bemühungen versagt, den illegal seit Dezember 2016 regierenden Staatspräsidenten Joseph Kabila zum Amtsverzicht zu drängen und zügig lange überfällige Wahlen in dem Land zu organisieren.
Quelle: www.gfbv.de