oxfamBerlin. - Friedensnobelpreisträger Professor Mohammad Yunus und 65 führende zivilgesellschaftliche Organisationen der People's Vaccine Alliance fordern anlässlich Bundeskanzlerin Angela Merkels Treffen mit US-Präsident Joe Biden am Donnerstag die deutsche Bundesregierung auf, die Patente auf COVID-19-Impfstoffe auszusetzen. Die gesamte Woche über finden Protestaktionen in Deutschland und den USA statt, um den Druck auf Merkel zu erhöhen, sich der Biden-Administration anzuschließen und einen Verzicht auf Patente bei der Welthandelsorganisation (WTO) zu unterstützen.

Die People's Vaccine Alliance und Professor Yunus wiesen die Aussagen von Bundeskanzlerin Merkel zurück, dass die bestehenden Regelungen ausreichen würden, um Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen die Herstellung eigener Impfstoffe zu ermöglichen. Humanitäre Organisationen wie Brot für die Welt, Oxfam, Amnesty International, Avaaz, Action Aid, Global Justice Now und Public Citizen forderten eine Verzichtserklärung für den Schutz geistigen Eigentums. Der Verzicht auf geistiges Eigentum sei die einzige Möglichkeit, die Impfstoffproduktion weltweit auszuweiten, damit auch Menschen in ärmeren Ländern Zugang zu dem lebenswichtigen Schutz gegen COVID-19 haben, so die People's Vaccine Alliance.

Die tödliche dritte COVID-19-Welle, ausgelöst durch die Delta-Variante, bricht derzeit über die Welt herein. In Uganda, einem Land mit 45 Millionen Einwohnern, sind bisher nur 4.000 Menschen vollständig geimpft worden. In Bangladesch führt die Delta-Variante zur Überlastung des Gesundheitssystems, die Zahl der Todesfälle steigt rapide an. Deutschland hingegen hat mit seinen 83 Millionen Einwohnern bereits 77 Millionen Dosen Impfstoff verabreicht, 24 Millionen mehr als der gesamte afrikanische Kontinent mit 1,4 Milliarden Einwohnern.

Mehr als 130 Länder haben eine Aussetzung der Patente für COVID-19-Impfstoffe und Behandlungen gefordert. Ursprünglich von Indien und Südafrika empfohlen, unterstützen auch die USA und die EU-Staaten Frankreich und Spanien diesen Schritt. Indem die deutsche Regierung auf der Aufrechterhaltung des Patentschutzes beharrt, setze sie Menschenleben aufs Spiel, so die NGOs.

Mit dem mRNA-Impfstoff hat BioNTech/Pfizer einen der wirksamsten Impfstoffe gegen COVID-19 entwickelt und damit einen Erfolg für die Menschheit erzielt. Doch gerade einmal 0,2 % der Dosen des Impfstoffs, den die deutsche Firma BioNTech in Zusammenarbeit mit Pfizer produziert hat, sind an Länder mit niedrigem Einkommen gegangen. Obwohl Studien zeigen, dass die Herstellung des Impfstoffs nur 1,17 US-Dollar kostet, wird der Impfstoff für durchschnittlich 18 US-Dollar pro Dosis verkauft, was ihn zu einem der teuersten COVID-19-Impfstoffe macht. BioNTech hat 556 Millionen Euro an öffentlicher Finanzierung erhalten. Gerade deshalb sollte sich die deutsche Regierung jetzt für die Freigabe der Patente einsetzen, um weltweit Leben zu retten.

"Wir stehen vor einer Gesundheitskrise, wie sie nur einmal in einem Jahrhundert vorkommt", sagte Professor Mohammad Yunus. "Hier in Bangladesch sterben jeden Tag Hunderte von Menschen an COVID-19 und wir verlieren Freunde, Familie und Kollegen an eine brutale dritte Welle. Die Situation ist hoffnungslos. Die Versuche, diese Krise durch Spenden zu lösen, sind gescheitert. Und es entspricht schlichtweg nicht der Wahrheit, zu sagen, dass es in den aktuellen Handelsregeln genügend Spielraum gäbe; wenn das stimmen würde, wären wir nicht in dieser Krise. Es ist an der Zeit, diese Krise als eine globale Krise zu behandeln und alle Produktionskapazitäten der Welt in Gang zu setzen, indem wir die Mauer der geistigen Eigentumsrechte einreißen. Es ist eine Krise der Produktion. Alle Länder müssen darin unterstützt werden, die maximale Produktionskapazität in jedem Land zu erschließen. Alle Barrieren müssen sofort beseitigt werden."

Marion Lieser, Vorstandsvorsitzende von Oxfam Deutschland, erklärte: "Gerade weil sie selbst Wissenschaftlerin ist, muss Bundeskanzlerin Merkel die Sorgen der Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler und Gesundheitsbehörden verstehen, die befürchten, dass eine Mutation unsere Impfstoffe unwirksam macht. Wir werden den Wettlauf mit dem Coronavirus nicht gewinnen, wenn wir nicht so schnell wie möglich den Zugang zu Impfstoffen für alle und überall verbessern - und das erfordert einen vorübergehenden Verzicht auf das geistige Eigentum an COVID-19-Impfstoffen und Behandlungen. Bundeskanzlerin Merkel muss sich jetzt entscheiden: Wird sie in die Geschichte eingehen als Bewahrerin von Monopolen und Profiten oder als Verfechterin des Gemeinwohls?"

Quelle: www.oxfam.de 


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