Berlin. - Trotz der Dynamik, die der 26. Weltklimagipfel in Glasgow für den weltweiten Ausstieg aus der Kohle und mehr Klimaschutz aufgebaut hat, ist das 1,5 Grad-Limit ohne schnelle Nachbesserungen der Ziele der größten Emittenten nicht in Reichweite. So lautet das erste Fazit der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch zum Ende des Weltklimagipfels COP26. Auch andere NGOs kritisieren die in Glasgow erzielten Ergebnisse.
"Im Rückblick könnte dieser Klimagipfel eines Tages als Wendepunkt zum Ausstieg aus der Kohle weltweit gesehen werden. Und das obwohl China, Indien, Iran, Venezuela und Kuba in letzter Minute den Kohletext von 'aussteigen' in 'runterfahren' abgeschwächt haben", sagte Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. "Zudem hat China noch kein verschärftes Klimaziel für 2030 eingereicht, das die Tür zu 1,5 Grad öffnen könnte. Das ist ein Riesenproblem." Überdies sei bei den USA vor allem die Umsetzung des angekündigten neuen Ziels nicht gesichert. Die überraschende Ankündigung der USA und China, ihre NDCs nachschärfen bzw. umsetzen zu wollen, sieht Germanwatch als Übereinkommen, über konkrete nächste Maßnahmen hierzu erst im nächsten Jahr verhandeln zu wollen.
Zudem haben die USA laut Germanwatch einen weiteren wichtigen Schritt im gemeinsamen Kampf gegen die Klimakrise und für bessere Klimaanpassung verhindert. Sie blockierten eine klare Finanzzusage der Industrieländer, dass diese zwischen 2020 und 2025 insgesamt 600 Milliarden US-Dollar für Klimaschutz und Anpassung in den ärmeren Ländern mobilisieren wollen. Da die ursprüngliche Zusage von 100 Milliarden US-Dollar bis 2022 nicht eingehalten wird, würde die neue Zusage für die Jahre danach automatisch eine höhere Klimafinanzierung bedeuten. "Die fehlende klare Finanzzusage ist eine schwere Hypothek für künftige Klimaverhandlungen mit Ländern des Globalen Südens, denn die nicht eingehaltenen Zusagen haben das Vertrauen beschädigt", so Bals.
"Die kleinen Schritte, die die COP26 nach vorne gemacht hat, dürfen uns nicht zu der Illusion verleiten, mit einem echten Erfolg nach Hause zu fahren", kommentierte Oxfams Klimaexperte Jan Kowalzig. "Es ist schon bitter, dass wieder einmal die von der Klimakrise besonders betroffenen, ärmeren Länder des Globalen Südens an den Rand gedrängt wurden. Ihr Ruf nach Unterstützung bei der Bewältigung von Schäden und Zerstörungen infolge des Klimawandels – wenn die Grenzen der Anpassung erreicht sind – blieb wieder nahezu ungehört. Mit Glück können sie in den kommenden Jahren auf begrenzte technische Unterstützung etwa bei der Planung beim Wiederaufbau nach Unwetterkatastrophen hoffen, nicht aber auf Finanzhilfen für den Wiederaufbau selbst. Mit den wachsenden Kosten der ökonomischen Folgeschäden bleiben die betroffenen Länder also weiterhin allein. Diese kolossale Ungerechtigkeit ist der hässliche Fleck auf dem Ergebnis von Glasgow."
Das katholische Entwicklungswerk MISEREOR bewertete die Ergebnisse verhalten: "Es gab politische Durchbrüche, die jedoch für die von der Klimakrise am meisten betroffenen Menschen im globalen Süden nicht ausreichend sind, um Zukunftsperspektiven zu erhalten. Die Vereinbarungen genügen nicht, um das Ziel zur Begrenzung der Erderhitzung auf 1,5 Grad Celsius noch einzuhalten, und geben keine Aussicht auf ausreichende Unterstützung bei der Bewältigung der Folgen für ärmere Länder", sagte Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer von MISEREOR.
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) erklärte, unter dem Strich bleibe Ernüchterung: "Die Vereinbarungen sind insgesamt zu wenig verbindlich. Die vielen Ankündigungen von Glasgow müssen sich auch in ambitionierteren nationalen Klimabeiträgen (NDCs) niederschlagen. Hier muss in den nächsten Jahren deutlich nachgebessert werden." Die COP26 habe zwar viele Initiativen angekündigt wie das Ende der Förderung fossiler Energien, oder den globalen Waldschutz. "Aber aus Sicht der Entwicklungsländer, die vom Klimawandel hart getroffen sind, sind die Zusagen und Maßnahmen unzureichend. Die Schäden und Folgen des Klimawandels und dringend notwendige Anpassungsmaßnahmen, der Aufbau erneuerbarer Energiestrukturen werden nur unzureichend unterstützt."
Quellen: www.germanwatch.org | www.oxfam.de | www.misereor.de | www.bmz.de