misereorAachen. - 96 Prozent der sogenannten Niedrigeinkommensländer werden aller Voraussicht nach das von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorgegebene Ziel verfehlen, bis zum Ende dieses Jahres mindestens 40 Prozent ihrer Bevölkerungen gegen COVID-19 zu impfen. Darauf machen MISEREOR und das Missionsärztliche Institut (MI) aufmerksam. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die ärmsten Staaten der Welt haben UN-Angaben zufolge bislang nur 0,6 Prozent der weltweit ausgelieferten Impfstoffe erhalten.

"Mitte November wurden global sechs Mal so viele Auffrischungsimpfungen gegen das Corona-Virus verabreicht, wie in den Ländern mit niedrigem Einkommen an Erstimpfungen vorgenommen werden konnten", kritisierte Tilman Rüppel, Referent in politischer Anwaltschaft beim MI.

Unter Niedrigeinkommensländern werden Staaten verstanden, deren Bruttonationaleinkommen (BNE) pro Kopf und Jahr weniger als 1045 Dollar beträgt. 27 Länder fallen unter diese Kategorie. Zum Vergleich: In Deutschland beträgt das BNE je Einwohner mehr als 47.000 Dollar.

"Das Auftreten von Virusvarianten wie jüngst Omikron bestätigt erneut, dass die weltweite Versorgung mit Impfstoffen gegen das Corona-Virus viel konsequenter als bisher sichergestellt werden muss", sagte Maria Klatte, Corona-Beauftragte und Leiterin der Abteilung Afrika und Naher Osten bei MISEREOR. "Die Pandemie kann nur durch eine globale, gerechte Impfstrategie erfolgreich bekämpft werden. Wenn sich das Virus weiter verbreiten und neue, womöglich impfresistente Varianten bilden kann, werden sich die bereits jetzt gravierenden Folgen von Corona sowohl im globalen Norden als auch im globalen Süden weiter verschärfen."

MISEREOR und das MI appellieren daher an die künftige Bundesregierung, eine vorübergehende Aussetzung der Patentrechte auf alle im Kampf gegen Corona benötigten Impfstoffe und Technologien nicht weiter zu blockieren. Eine entsprechende Änderung des in den 1990er Jahren auf Ebene der Welthandelsorganisation in Kraft getretenen TRIPS-Abkommens, mit dem globale Standards für den Schutz geistigen Eigentums festgelegt wurden, hat Deutschland bislang abgelehnt.

"Allen technologisch dazu fähigen Unternehmen auf der Welt muss es rechtlich gestattet sein, Impfstoffe, Diagnostika und Medikamente gegen COVID-19 zu produzieren", forderte Rüppel. "In Verbindung mit Wissenstransfer und finanzieller Unterstützung könnten somit die weltweiten Produktionskapazitäten mittel- und langfristig stark angehoben werden. Nur so kann der erhöhte Bedarf an Impfstoffen gedeckt werden, der sich aufgrund von Auffrischungsimpfungen und der notwendigen Anpassung der Vakzine an mutierte Virusvarianten ergibt."

MISEREOR und MI halten es weiterhin für erforderlich, dass Deutschland seine Impfstoffabgabe an bedürftige Länder über die globale Impfinitiative COVAX erhöht und beschleunigt: "Auch eine höhere finanzielle Beteiligung Deutschlands am internationalen Kampf gegen die Pandemie erscheint angemessen. Die voraussichtlichen Steuerzahlungen des Mainzer Impfstoff-Herstellers BioNTech werden in diesem Jahr etwa vier Milliarden Euro betragen, was ziemlich genau jener Summe entspricht, die Deutschland seit 2019 zusätzlich zur Förderung der globalen Gesundheit aufgewendet hat", erläuterte Rüppel. "Aus diesem Grund sollten zusätzliche finanzielle Anstrengungen aus dem Bundeshaushalt als Antwort auf die anhaltende Pandemie selbstverständlich sein."

Nach Einschätzung von Maria Klatte enthält der Koalitionsvertrag der künftigen Ampel-Regierung noch keine ausreichende Antwort auf den Corona-Notstand in benachteiligten Weltregionen. "Weil Länder mit hoher Armutsquote am meisten unter der Pandemie leiden, muss die Bundesregierung diesbezüglich mehr tun. Eine gerechte globale Antwort auf die Pandemie muss an die Stelle von Profitmaximierung von Privatunternehmen und das massenhafte Horten von Impfstoff durch wohlhabende Staaten treten", sagte die MISEREOR-Expertin. Darüber hinaus müssten die Gesundheitssysteme auch generell gestärkt werden, um Handlungsfähigkeit zu erhalten und Resilienz gegenüber Pandemien zu stärken.

Quelle: www.misereor.de


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