Berlin. - Autokonzerne haben die Verhandlungen über das noch nicht unterschriebene Handelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten erheblich beeinflusst – und würden davon in besonderem Maße profitieren. Das zeigt die am Donnerstag veröffentlichte Studie "Mobilitätswende ausgebremst. Das EU-Mercosur-Abkommen und die Autoindustrie".
Dabei ging die Lobbyarbeit nicht nur von den Konzernen selbst aus. Interne E-Mails belegen, wie Mitarbeiter*innen des deutschen Wirtschaftsministeriums und der EU-Kommission aktiv auf Wirtschaftsverbände zugingen, um deren Wünsche zu erfragen und in die Verhandlungen mit den Mercosur-Staaten einzuspeisen. Die Studie wurde herausgegeben von Misereor, der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Greenpeace Deutschland, Powershift, Attac Deutschland, Attac Österreich und dem Netzwerk Gerechter Welthandel.
Das Ergebnis der erfolgreichen Einflussnahme ist ein Abkommen, das Zölle auf Autos mit Verbrennungsmotoren, Autoteile und Rohstoffe für die Autoproduktion beseitigen sowie die Ausfuhr von Kraftstoffen auf der Basis von Nahrungs- und Futtermitteln fördern würde. Dadurch verfestige das Abkommenden Individualverkehr mit fossilen Brennstoffen und fördere einen klimaschädlichen Ressourcenabbau: "Dieses Abkommen bremst die dringend nötige Mobilitätswende auf Kosten öffentlicher Transportmittel aus", kritisierte Hanni Gramann von Attac Deutschland. "Wir sollten auf ressourcenschonende und klimafreundliche Alternativen setzen, die allen Menschen Mobilität ermöglichen, statt die Profiterwartungen der Automobilindustrie zu erfüllen."
Forderungen nach dem Abschluss von Handelsabkommen wie EU-Mercosur werden seit dem Krieg in der Ukraine immer lauter. Demgegenüber sehen die herausgebenden Organisationen der Studie durch Zollerleichterungen für Verbrenner und Agrosprit das Risiko einer zementierten Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und der Ausweitung von Soja und Zuckerrohranbau zur Verwendung als Brennstoff auf Kosten des Klimas und der Welternährung.
"Mehr denn je werden Agrarflächen für die Ernährungssicherung gebraucht, nicht zur Produktion von Fleisch oder Treibstoff für Autos. Die Automobilindustrie hat sich mit diesem Abkommen den Export ihrer klimaschädlichen Verbrenner auf Jahrzehnte gesichert. Gleichzeitig begünstigt das Abkommen, dass noch mehr Lebensmittel wie Soja und Zuckerrohr im Tank landen. Das würde die auf einer Verteilungskrise basierende globale Ernährungsnot noch weiter anheizen", sagte Sascha Müller-Kraenner von der Deutschen Umwelthilfe.
Die Studie beschreibt detailliert, wie die Autoindustrie vom engen Zusammenspiel mit der Politik profitiert. Dazu zählen die schrittweise Beseitigung aller Zölle auf Autos und Autoteile und auf wichtige Rohstoffe wie Eisen und Stahl, Aluminium, Kupfer, Blei, Zink und das für Elektroautos wichtige Lithium. Die Mercosur-Staaten verzichten zudem auf Exportsteuern für Soja, Biodiesel und Rindsleder (Autositze). "Das EU-Mercosur-Abkommen ist ein Autos-gegen-Fleisch-Deal, der vor allem einem Ziel dient: Herstellern klimaschädlicher Autos Produktions- und Importkosten zu sparen. Mit einem gerechten und nachhaltigen Handelsabkommen hat das nichts zu tun. Es muss gestoppt werden", erklärte Lis Cunha von Greenpeace.
Dem stehen enorme Gefahren für Klima, Umwelt und Menschenrechte gegenüber. Das Abkommen würde den Export von Soja, Bioethanol aus Rohrzucker, Rindsleder und metallischen Rohstoffen für die Automobilindustrie erleichtern und steigern. "Wie die Studie mit Fallbeispielen belegt, sind Viehzucht, Anbau von Soja und Zuckerrohr sowie Abbau metallischer Rohstoffe in Brasilien, Argentinien und Paraguay hauptverantwortlich für Entwaldung, Vertreibung von indigenen Gemeinschaften, Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen", erklärte Armin Paasch von Misereor. "Das Nachhaltigkeitskapitel des Abkommens sieht dagegen keinerlei Sanktionen vor, wenn es zu solchen Schäden kommt."
"Es wäre an der Zeit, dass die EU die Probleme anerkennt, die mit intransparenten und undemokratischen Abkommen wie EU-Mercosur einhergehen", sagte Jeremy Oestreich von PowerShift. "Um das Klima, die Umwelt und die Menschenrechte wirksam zu schützen, brauchen wir endlich eine Handelspolitik, die nicht nur einigen wenigen sehr mächtigen Lobbygruppen dient." Ludwig Essig, Koordinator des Netzwerks gerechter Welthandel, betonte: "Gerade in diesen Zeiten ist eine grundlegend neue Handels- und Investitionspolitik absolut notwendig. Dazu brauchen wir transparente und demokratische Verhandlungen, starke Nachhaltigkeitskapitel und ein Ende der Aufweichung unserer Umwelt- und Sozialstandards."
Quelle: Quelle: www.misereor.de