Berlin. - Die wirtschaftliche Abwärtsspirale im Libanon macht auch vor dem Gesundheitssektor nicht halt. Immer weniger Menschen können sich eine medizinische Versorgung leisten. Es fehlt an Geld, aber auch an Fachpersonal, das ins Ausland abwandert. Die Diakonie Katastrophenhilfe will an acht Gesundheitszentren die Versorgung für mehr als 90.000 Menschen verbessern.
„Früher haben wir unseren Service für 100 Menschen im Monat angeboten, heute kommen mehr als 2.000 zu uns“, erklärte Schwester Rita Khoury. Sie leitet das Mutter- und Kinderschutzzentrum CPMI in der libanesischen Hauptstadt Beirut. Was einst eine Apotheke war, ist mittlerweile zu einem Anlaufzentrum für die medizinische Grundversorgung geworden. Ein Antrag auf eine formelle Anerkennung, die einen leichteren Zugang zu Medikamenten vor allem für chronische Krankheiten ermöglicht, ist bei den Behörden gestellt worden.
Acht solcher Gesundheitseinrichtungen stehen im Mittelpunkt eines Projekts der Diakonie Katastrophenhilfe mit der Partnerorganisation International Orthodox Christian Charities (IOCC). Sie sollen ansatzweise das aufrechterhalten, was der Libanon bis 2019 hatte: eine verlässliche Gesundheitsversorgung. Durch die wirtschaftliche und politische Krise verarmten rund 80 Prozent der fast sechs Millionen Einwohner binnen weniger Jahre. Die verheerende Explosion eines Getreidesilos in Beirut am 4. August 2020 wurde zum Symbol dieses Niedergangs. Heute sind es vor allem die Preise, die explodieren: Im April dieses Jahres lag die Inflation für Nahrungsmittel bei fast 350 Prozent. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen. Besonders betroffen sind viele Geflüchtete aus Palästina oder Syrien.
Die Organisation Lebanese Order of Physicians warnte bereits 2022, dass rund 3.000 Ärztinnen und Ärzte sowie 5.000 Personen aus der Krankenpflege das Land verlassen hätten, weil ihre Gehälter durch die Inflation dahinschmolzen. Wer medizinische Hilfe benötigt, muss heute meist tief in die Tasche greifen. „Die Physiotherapie für meinen Sohn wäre unbezahlbar, wenn das Gesundheitszentrum nicht die Kosten übernehmen würde“, sagte Elias, Vater des vierjährigen Jabbour, der zwei Mal pro Woche ins CPMI kommen muss. Jabbour kam mit Zerebralparese zur Welt und benötigt eine langwierige Physiotherapie. „Jede einzelne Sitzung kostet in einer Klinik vier US-Dollar. Als Hausmeister verdiene ich nur rund 100 US-Dollar im Monat“, beklagte Elias. Dank der kostenlosen Therapie kann er Geld für Operationen zurücklegen, die Jabbour am Auge und an einem Bein benötigt.
Auch für Schwester Rita ist der Betrieb des Zentrums ein ständiges Abwägen zwischen steigenden Kosten und dem Erreichen notwendiger Standards. Mit einer Solaranlage aus dem Projekt kann das Zentrum nun selbst Strom erzeugen und spart so monatlich rund 300 US-Dollar an Treibstoff und Strom, der landesweit oft nur für wenige Stunden fließt. Das Projekt fördert auch die Anschaffung von Stethoskopen, Patientenliegen oder die Weiterbildung von Mitarbeitern. Das entlastet das Budget des Zentrums und erhöht die Qualität, was sich herumspricht: „Zu uns kommen nicht nur Menschen aus Beirut, sondern mittlerweile auch aus dem Umland. Das Projekt entlastet uns sehr, um das bewältigen zu können“, sagt Schwester Rita.