MCC Logo neuBerlin. - Auch Lateinamerika habe inzwischen recht flächendeckend angekündigt, bis 2050 den Treibhausgas-Ausstoß auf netto null zu senken. Doch wie ist das in einer Weltregion mit besonders großem Arm-Reich-Gefälle politisch zu schaffen? Eine Studie zeigt jetzt für 16 Länder mit 544 Millionen Menschen die potenziellen Folgen von CO2-Bepreisung als Leitinstrument der Klimapolitik – und wie sich durch gezieltes Rückverteilen der daraus entstehenden Staatseinnahmen soziale Verwerfungen vermeiden ließen. Die Studie wurde geleitet vom Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change).

Für die in dieser Form beispiellose Analyse nutzte das Forschungsteam nationale Erhebungen zu Ausgaben privater Haushalte in Argentinien, Barbados, Bolivien, Brasilien, Chile, Costa Rica, der Dominikanischen Republik, Ecuador, El Salvador, Guatemala, Kolumbien, Mexiko, Nicaragua, Paraguay, Peru und Uruguay. Es kombinierte die Haushaltsbudgets mit den aus der Datenbank GTAP abgeleiteten CO2-Intensitäten der diversen Ausgabeposten, ermittelte also den "Fußabdruck" eines jeden Haushalts und die entsprechende Belastung bei einer Verteuerung fossiler Brennstoffe. Indirekte Folgen wurden über höhere Preise für klimaschädliche Konsumprodukte erfasst. Zum Erkunden der komplexen Verteilungswirkungen wurde durch statistische Analysen die individuelle Kostenbelastung mit sozioökonomischen Merkmalen abgeglichen. Treiber für hohe Verwundbarkeit seien etwa Autobesitz oder Kochen mit Flüssiggas-Brennern, Merkmale für geringe Anfälligkeit ein Wohnsitz in urbanen Räumen oder höhere Bildung, so das MCC.

 "Im Ergebnis liefern wir eine Landkarte der absehbaren Verteilungswirkungen von Klimapolitik in Lateinamerika", berichtet Leonard Missbach, Doktorand in der MCC-Arbeitsgruppe Klimaschutz und Entwicklung und Leitautor der Studie. "In elf Ländern wirkt CO2-Bepreisung insgesamt regressiv, belastet also prozentual gesehen die Armen stärker als die Reichen, in fünf Ländern wirkt sie progressiv. Dabei sind die Unterschiede innerhalb der jeweiligen Einkommensgruppen in all diesen Ländern größer als generell zwischen Arm und Reich. Damit CO2-Bepreisung möglichst nicht an Tumulten scheitert, wie 2019 an den Spritpreis-Unruhen in Ecuador, ist es wichtig zu verstehen, wer davon betroffen wäre, und auch über mögliche gezielte Programme zur Rückverteilung der Einnahmen nachzudenken."

Aus den Haushaltsbudgets wurde zudem ausgelesen, inwieweit die Bevölkerung Zugang zu Transferkanälen für staatliche Direktzahlungen hat, die Rückverteilung der CO2-Preis-Einnahmen also derzeit technisch machbar wäre. Laut der Studie sind zum Beispiel in Paraguay nur 6 Prozent der potenziell besonders belasteten Haushalte an bereits existierende Systeme für staatliche Direktzahlungen angeschlossen. Über alle Länder betrachtet gibt es 18 Millionen Haushalte mit einer besonderen Problematik: Sie gehören jeweils zum ärmsten Fünftel in ihrem Land, zudem zu dem Fünftel mit der potenziell größten relativen Belastung durch CO2-Bepreisung, und sie haben keinen Zugang zu bestehenden Sozialtransfers.

 "In Lateinamerika ist es besonders wichtig, die CO2-Bepreisung in einen umfassenden Politikmix einzubetten", resümiert Jan Steckel, Arbeitsgruppenleiter am MCC und Ko-Autor. "Die aus der Bepreisung resultierenden Einnahmen können so eingesetzt werden, dass sie die jeweiligen Treiber für hohe Klimaschutzkosten in Haushalten adressieren. Neben Direktzahlungen helfen je nach den länderspezifischen Umständen zum Beispiel Investitionen in Bus und Bahn, Förderung von E-Mobilität oder vorübergehende Herausnahme von Flüssiggaskochern aus der CO2-Bepreisung. Auch bestimmte Steuersenkungen oder Programme für Bildung oder Gesundheit können die soziale Bilanz von Klimapolitik verbessern. Unsere Untersuchung kann der Politik Orientierung bieten, die Kompensation passgenau zu konzipieren."

Quelle: www.mcc-berlin.net


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