Temperatur in Riga. Screenshot: epo.de

Im Pariser Klimaabkommen haben sich die 195 Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) 2015 völkerrechtlich verbindlich darauf geeinigt, den Anstieg der Erdtemperatur unter zwei Grad Celsius zu halten - und möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Das Word "Anstieg" bezieht sich dabei auf die vorindustrielle Zeit. Jetzt haben Wissenschaftler Baumringe der letzten 2.000 Jahre aus der gesamten nördlichen Hemisphäre untersucht und herausgefunden, dass die globale Durchschnittstemperatur zwischen 1850 und 1900 um 0,24 Grad niedriger war als bisher angenommen. Der Temperaturanstieg des letzten Sommers hätte in diesem Fall in den nördlichen Breitengraden bei 2,31 Grad Celsius gelegen.

Bisher hatten Klimaforscher einen Temperaturanstieg für Europa, dem größten Teil Nordamerikas und Asiens von durchschnittlich 2,07 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitraum errechnet. Geographen der Johannes Gutenberg Universität Mainz (JGU) und der University of Cambridge kommen nun zu dem Schluss, dass der Sommer in weiten Teilen der Nordhalbkugel der wärmste in den letzten 2.000 Jahren gewesen ist.

esper jan jgu 200Die Forscher um Prof. Dr. Jan Esper (Foto) vom Geographischen Institut der JGU verglichen Temperaturen von den Landmassen der nördlichen Erdhalbkugel zwischen dem 30. und dem 90. Breitengrad. In diesem Bereich liegen (und lagen) weltweit die meisten Wetterstationen. Die Forscher hatten zunächst die hier in den Monaten Juni, Juli und August 2023 gemessenen Temperaturen mit entsprechenden Temperaturen aus den Jahren von 1850 bis 1900 verglichen. Dadurch stellten sie fest, dass die Durchschnittstemperatur des Sommers 2023 um 2,07 Grad Celsius höher war als die der Sommer der "vorindustriellen Zeit", wie die Phase von 1850 bis 1900 vom Weltklimarat genannt wird.

Um einen noch umfassenderen Vergleich anstellen zu können, nutzten die Forscher dann ein bereits vorhandenes internationales Archiv von Klimadaten, die mit Hilfe von Baumringen rekonstruiert worden waren und bis ins Jahr 1 zurückreichen. "Dadurch haben wir festgestellt, dass der Sommer 2023 auch in diesem sehr langen Zeitraum der heißeste war und dass er um 2,2 Grad wärmer war als der durchschnittliche Sommer seit dem Jahr 1", erklärte Esper. "Das verdeutlicht, wie dramatisch sich die Erde erwärmt und wie wichtig es ist, dass wir die Treibhausgasemissionen unverzüglich senken." (Hervorhebungen durch die epo-Red.)

Die Baumring-Daten haben die Wissenschaftler auch auf ein anderes "beunruhigendes Ergebnis" gebracht. Prof. Jan Esper:

"Unsere Berechnungen zeigen, dass die Durchschnittstemperatur in der Zeit von 1850 bis 1900 um 0,24 Grad niedriger war als bislang auf Grundlage der Daten von Wetterstationen angenommen. Das würde bedeuten, dass die Erwärmung größer ist als bisher gedacht und dass die formulierten Klimaziele neu kalkuliert werden müssen."

Esper und seine Kolleginnen und Kollegen sind davon überzeugt, dass ihre auf Basis von Baumringen rekonstruierten Temperaturen genauer sind als die der Wetterstationen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: "Damals gab es in dem von uns betrachteten Bereich nur 58 durchgehende Wetterstationen, von denen 45 in Europa lagen. Das heißt, für viele Räume der Nordhalbkugel und die gesamte Südhalbkugel gibt es keine ausreichenden Wetteraufzeichnungen." Außerdem sei bekannt, dass viele der damals erhobenen Daten ungenau seien, weil sie zum Beispiel von unzureichend gegen direkte Sonneneinstrahlung geschützten Thermometern stammten.

Die Studie der Wissenschaftler wurde zuerst in der renommierten Zeitschrift "Nature" veröffentlicht. Sie wurde nach JGU-Angaben zum Teil durch einen ERC Advanced Grant, einen Förderpreis der Europäischen Union für Jan Esper, finanziell unterstützt.

=> Veröffentlichung: J. Esper et al., 2023 summer warmth unparalleled over the past 2000 years, Nature, 14. Mai 2024,
DOI: 10.1038/s41586-024-07512-y

Foto: Prof. Dr. Jan Esper, Professor für Klimageographie am Geographischen Institut der JGU (copyright © JGU/privat)


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