Während Güter- und Landwirtschaftsmärkte durch Zölle geschützt werden, sind die Dienstleistungsmärkte durch differenzierte Massnahmen reguliert. Dazu gehören Sozialmassnahmen, Umweltgesetze sowie die Standards im Konsumbereich, Tourismus, Bauwesen, oder im Landschaftsschutz. Im WTO-Dienstleistungsabkommen GATS werden diese Regulierungen als "technische Standards" bezeichnet. Bis Ende 2006 soll nun ein Instrumentarium erarbeitet werden, das bestehende Massnahmen in den WTO-Ländern dahingehend prüft, ob sie "mehr als notwendig handelsverzerrend" sind.
Die Schweiz schlägt hierbei - gemeinsam mit Neuseeland, Hongkong, Australien und Mexiko - einen so genannten "Notwendigkeitstest" vor. Danach müssten Regierungen auf kommunaler, kantonaler und nationaler Ebene künftig vor der WTO-Streitschlichtung beweisen, dass ihre Verordnungen und Gesetze für den Welthandel kein "unnötiges Hindernis" darstellen. Andernfalls müssten diese Gesetze geändert werden.
"Das Schweizer Stimmvolk würde damit von der WTO bevormundet. Demokratische Entscheidungen könnten durch ein Expertengremium ausgehebelt werden", prostestierte Daniel Lampart vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund. Auch die Entwicklungsländer seien entschieden gegen einen solchen Test, weil es ihren wirtschafts- und umweltpolitischen Handlungsspielraum massiv einschränken würde. "Es ist unhaltbar, dass das Staatssekretariat für Wirtschaft seco solch einschneidende Instrumente zu inländischen Regulierungen verhandelt, ohne andere Bundesämter, geschweige denn die politischen Gremien konsultiert zu haben", kritisierte Marianne Hochuli von der Erklärung von Bern.
Die Erklärung von Bern, Alliance Sud, der Schweizerische Gewerkschaftsbund und Pro Natura riefen den Vorsteher des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements, Joseph Deiss, dazu auf, die Forderung nach einem "Notwendigkeitstest" unverzüglich fallen zu lassen. "Es darf nicht sein, dass die Schweizer Handelsdelegierten in der WTO eigenmächtig Forderungen vertreten, die den politischen Handlungsspielraum und die Souveränität sowohl für Entwicklungsländer als auch in der Schweiz auf nationaler, kantonaler und kommunaler Ebene derart massiv einschränken", sagte Bastienne Joerchel von Alliance Sud.