IOMRabat/Berlin (epo). - Regierungsvertreter aus 30 europäischen und 27 afrikanischen Staaten haben im Rahmen einer zweitägigen Konferenz in der marokkanischen Haupstadt Rabat einen Aktionsplan gegen "illegale" Migration von Afrika nach Europa beschlossen. Der 62 Punkte umfassende Plan sieht die Einführung "effizienter Rückführungssysteme in allen betroffenen Ländern, im Respekt der Würde und der Grundrechte" vor. Um die Ursachen der Auswanderung zu bekämpfen, will Europa zur Entwicklung in den afrikanischen Herkunftsländern beitragen. Konkrete finanzielle Zusagen enthält der Aktionsplan allerdings nicht.

Der als Hardliner in Migrationsfragen bekannte französische Innenminister Nicolas Sarkozy sagte auf der Konferenz, 57 Prozent der afrikanischen Migranten hätten keinen Oberschulabschluss. Europa könne sich nicht in eine Festung verwandeln, die Unterbindung der Migration sei ein Mythos. Die europäischen Staaten sollten sich ihre Einwanderer aber aussuchen können.

Senegals Außenminister Cheick Tidiane Gadio übte indessen scharfe Kritik an der europäischen Einwanderungspolitik. Die systematische Verweigerung von Visa für Afrikaner sei ein Anreiz zur illegalen Migration. Einig war man sich, dass in erster Linie wirtschaftliche Anreize und nicht militärische Lösungen auf der Tagesordnung stünden, um illegale Migrationsströme zu unterbinden.

Nach den Worten von EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner soll die EU-Grenzschutzagentur "Frontex" gemeinsame Patrouillen mit Marokko, Mauretanien, Senegal und Kap Verde vor der afrikanischen Küste durchführen. Im Falle von Flüchtlingskrisen sollten zivile Interventionstruppen eingesetzt werden. Afrikaner, die bereits jetzt in Europa arbeiten, sollten künftig leichter Geld in ihre Heimatländer schicken können. "Den Finanztransfer muss man erleichtern. Man muss die Menschen dazu bringen, im eigenen Land zu investieren", sagte Ferrero-Waldner.

Mit speziellen Ausbildungs- und Trainingsprogrammen für Migranten wollen die europäischen Länder überdies die gezielte Einwanderung von ausgebildeten Fachkräften in die Union erleichtern. In jedem Fall müssten Einwanderer besser auf die Herausforderungen auf dem europäischen Arbeitsmarkt vorbereitet werden. Die Förderung "legaler Migration" stößt in afrikanischen Ländern aber auf Skepsis, weil die Regierungen einen "brain drain" befürchten - die Auswanderung von gebildeten und auch in Afrika gesuchten Fachleuten.

Hinsichtlich der Rückübernahmeabkommen mit afrikanischen Ländern für illegal Einreisende soll der für Entwicklungshilfe zuständige EU-Kommissar Louis Michel Gespräche mit den Ländern Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP) aufnehmen. Ein euro-afrikanisches "Beobachtungszentrum" für Migration soll mit einer Datenank eine bessere Erfassung der Migrantenströme ermöglichen.

Eines der wichtigsten Transitländer, Algerien, war auf der Konfernz nicht vertreten, die auf Anregung Spaniens nach dem Massenansturm auf die Grenzen der spanischen Exklaven Ceuta und Melilla in Nordafrika zustande gekommen war. Inzwischen nehmen die Migranten vorzugsweise den Seeweg von Westafrika zu den Kanarischen Inseln. Im ersten Halbjahr 2006 wurden dort nach unterschiedlichen Angaben zwischen 8.000 und 11.000 Migranten verzeichnet. Wie viele auf der gefährlichen Seereise umgekommen sind, ist unbekannt.

In der in Rabat verabschiedeten Erklärung heißt es, die 57 Teilnehmerstaaten der Konferenz strebten eine enge Partnerschaft an, um dem "Phänomen der Migrationsrouten" zu begegnen. Die Kontrolle der Migration zwischen Afrika und Europa solle im Zusammenhang mit der Armutsbekämpfung und Entwicklungsförderung gesehen werden. In den Hauptauswanderungsgebieten sollen insbesondere Projekte in arbeitsintensiven Sektoren wie Landwirtschaft, Fischerei, Handwerk und Tourismus gefördert werden.

Die Umsetzung der Vereinbarungen im Rahmen des Aktionsplanes soll eine Folgekommission überwachen. Eine weitere Ministerkonfenz soll frühestens in vier Jahren stattfinden. Lediglich Spanien machte konkrete Hilfszusagen: Das Land will rund 30 Millionen Euro in Entwicklungsprogramme in Nordafrika investieren.

Die die entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. Heike Hänsel, kritisierte die Rabat-Konferenz: "Flüchtlingsabwehr und Freihandel sind keine Beiträge zur Entwicklung. Im Gegenteil: Ein neuer Ansatz wäre, Migration endlich als Beitrag zur Entwicklung wahrzunehmen. Migranten transferieren bereits heute dreimal so viel Geld in den Süden wie die gesamte globale Entwicklungshilfe. Deshalb sollte die Agenda der Ministerkonferenz vom Kopf auf die Füße gestellt werden: Statt über die Abwehr 'illegaler' Migranten muss über die Ermöglichung legaler Migration und über die Förderung ihres Beitrags zur Entwicklung diskutiert werden. Die Aufrüstung an den EU-Außengrenzen und Einsätze mobiler Eingreiftruppen zur Flüchtlingsabwehr müssen dagegen gestoppt werden; Flüchtlingsabwehr darf nicht länger aus EU-Entwicklungsgeldern finanziert werden."

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