Flüchtlinge in Goma. Foto: SalesianerGoma/Berlin (epo.de). - Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) vor der Entsendung einer humanitären Schutztruppe der Europäischen Union (EU) in die von Rebellen umlagerte Stadt Goma im Osten des Kongo gewarnt. "Der Zivilbevölkerung in Goma ist in ihrer katastrophalen Lage mit der kurzfristigen Entsendung französischer Soldaten nicht geholfen, da sie die Spannungen zwischen den Rebellen unter General Laurent Nkunda und der Regierung des Kongo nur weiter schüren würde", erklärte GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Freitag in Göttingen. Oxfam fordert "mehr Blauhelmsoldaten" und auch Misereor tritt für eine sofortige Stärkung der UN-Friedensmission (MONUC) ein.

Die GfbV erklärte, die EU müsse ihren diplomatischen Druck auf die Regierungen des Kongo, Ruandas sowie auf die Rebellen erhöhen, um eine Verhandlungslösung zu erreichen. Außerdem müsse die UN-Friedenstruppe MONUC endlich ein klares Mandat und mehr Unterstützung erhalten.

Der französische Außenminister Bernard Kouchner hatte am Donnerstag vorgeschlagen, eine humanitäre Interventionstruppe der EU nach Goma zu entsenden, um der bedrängten Zivilbevölkerung beizustehen. "Traditionell kommen für solche Einsätze nur französische Soldaten in Frage, da sie relativ schnell in der Region einsatzbereit sind", sagte Delius. "Doch eine Entsendung französischer Soldaten könnte die Kämpfe in der Krisenregion eskalieren lassen, da Frankreich von den Rebellen, die der Regierung Ruandas nahe stehen, nicht als neutral angesehen wird." Das Misstrauen gegenüber Frankreich sei unter Ruandas Verbündeten noch immer groß, weil die französische Regierung für den Völkermord in Ruanda an rund einer Million Tutsi 1994 mitverantwortlich gewesen sei.

"Auch ist die Situation im Osten des Kongo heute anders als im Juni 2003, als die EU unter Führung französischer Soldaten im Rahmen der Operation Artemis eine humanitäre Interventionstruppe in die Stadt Bunia im Osten des Kongo entsandte", sagte Delius. Damals seien vor allem die Rebellen für schwerste Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gewesen, heute seien es die kongolesischen Regierungssoldaten. Sie verübten 80 Prozent der Menschenrechtsverletzungen in der Region. Angesichts plündernder und mordender Soldaten müsse sich die EU fragen lassen, warum die von ihr mit 16 Millionen Euro und 60 Beratern großzügig unterstützte Reform der kongolesischen Armee gescheitert sei.

Auch die UN-Friedenstruppe MONUC werde von der kongolesischen Armee instrumentalisiert, so die GfbV. Aufgrund ihres "doppeldeutigen Mandates des Weltsicherheitsrates" werde die MONUC immer wieder gezwungen, ihre Neutralität aufzugeben. So müsse sie einerseits die Zivilbevölkerung vor Übergriffen aller Konfliktparteien schützen, andererseits aber auch gemeinsam mit der kongolesischen Armee Hutu-Rebellen bekämpfen.

UN-SONDERGESANDTER ERFORDERLICH?

Die internationale Hilfsorganisation Oxfam forderte am Freitag die unverzügliche Ernennung eines hochrangigen UN-Sondergesandten, um vor Ort ein tragfähiges Friedensabkommen mit den Konfliktparteien auszuhandeln. Ferner fordert Oxfam den Einsatz zusätzlicher militärische Unterstützung für die MONUC-Friedenstruppe, damit die Zivilbevölkerung wirksam gegen Angriffe, Massenvergewaltigungen und systematische Plünderungen geschützt wird.

Das internationale politische Engagement zur Beendigung des Konflikts im Kongo müsse sich grundlegend ändern, so Juliette Prodhan, Oxfam-Programmleiterin in der Demokratischen Republik Kongo: "Seit zehn Jahren gab es zahlreiche Bemühungen in Form von Friedensabkommen und Friedenstruppen, aber keine davon hatte ausreichende und kontinuierliche internationale Unterstützung." Die internationale Gemeinschaft müsse sich jetzt mit Nachdruck für ein sofortiges Ende der Kämpfe einsetzen.

"Es gibt keine militärische Lösung für diesen Konflikt, und er kann auch nicht dadurch gelöst werden, dass einfach immer mehr Truppen oder militärisches Gerät bereit gestellt werden. Allerdings kann zusätzliche militärische Unterstützung helfen, die Sicherheitslage zu verbessern, die Waffenruhe abzusichern, Zivilpersonen zu schützen und den Hilfsorganisationen zu ermöglichen, denjenigen Hilfe zu leisten, die es dringend brauchen", sagte Prodhan.

MONUC sei bis jetzt nicht in der Lage gewesen, den Frieden zu sichern und die Zivilbevölkerung im Ost-Kongo ausreichend zu schützen, kritisierte Oxfam. Ohne entschlossene Führung und ein echtes Engagement im Hinblick auf die unmittelbare Krise und die ihr zugrunde liegenden Faktoren riskiere MONUC zu scheitern.

Seit August sind rund 200.000 Menschen durch die Kämpfe zwischen den CNDP-Rebellen von General Laurent Nkunda und der kongolesischen Armee vertrieben worden. Die Kämpfe konzentrierten sich zuletzt auf das Gebiet um Goma. Dabei wurden in letzten Tagen Tausende von Menschen aus ihren Dörfern und auch aus Camps, in denen sie Unterschlupf gesucht hatten, vertrieben. Die Kämpfe behindern Oxfam zufolge die Nothilfe massiv, da die Hilfsorganisationen gezwungen sind, ihre Operationen einzuschränken.

Oxfam stellt Trinkwasser und Hygiene-Einrichtungen für 65.000 Menschen in vier Flüchtlingslagern in der Umgebung von Goma bereit und bereitet sich momentan auf weitere Hilfsmaßnahmen vor, sobald der humanitäre Zugang gesichert ist. Am Donnerstag sei vorübergehend internationales Personal aus Goma abgezogen worden, erklärte die Organisation; das nationale Personal arbeite weiter vor Ort. Es seien alle Vorkehrungen getroffen, die Wasserversorgung und Hygiene-Einrichtungen in den Lagern aufrechtzuerhalten.

MONUC STÄRKEN

Das katholische Hilfswerk MISEREOR hat die Bundesregierung aufgefordert, sich gegenüber dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für eine sofortige Stärkung der UN-Friedensmission MONUC in der Demokratischen Republik Kongo einzusetzen. "Die MONUC muss in die Lage versetzt werden, ihr vorhandenes Mandat in vollem Umfang auszuschöpfen und die Zivilbevölkerung wirkungsvoll zu schützen", sagte Raoul Bagopha, bei MISEREOR verantwortlich für den Kongo. "Die Bundesregierung steht in der Pflicht, ihren Einfluss gegenüber den Regierungen der Demokratischen Republik Kongo und Ruandas geltend zu machen, um beide Länder für die Umsetzung des im November 2007 in Nairobi ausgehandelten Friedensabkommens zu gewinnen. Dabei sollte Ruanda auf den Rebellenchef Laurent Nkunda einwirken, während die Demokratische Republik Kongo sich der Frage der ruandischen Hutu-Milizen auf ihrem Territorium (FDLR) ernsthaft annehmen muss."

Deutschland pflege gute Beziehungen zu beiden Staaten und könne deshalb dazu beitragen, ein Ende der Tragödie im Ostkongo, ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen und einen dauerhaften Schutz der Bevölkerung zu erzielen, sagte Bagopha.

Die Forderungen werden unterstützt von zahlreichen kirchlichen und nicht-kirchlichen Partnern von MISEREOR in der Region. Auch der UN-Vertreter im Kongo Alan Doss sowie der Leiter der UN-Abteilung für Friedensmissionen, Alain le Roy, haben sich für eine Stärkung des UN-Mandats ausgesprochen.

MISEREOR unterstützt seit Jahren Entwicklungs- und Friedensprojekte einheimischer Partnerorganisationen in den beiden Kivu-Regionen durch finanzielle Zuwendungen und Fachberatung in Höhe von 1.750.000 Euro. Angesichts der aktuellen Krise beschloss MISEREOR, seine Unterstützung für Partnerorganisationen zu verstärken, die sich um die Belange von Flüchtlingen und Opfern sexueller Gewalt kümmern.

Foto: Flüchtlinge in Goma. © Salesianer

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