logo poznanPoznan (epo.de). - Es sind drastische Worte für einen Chefdiplomaten, die Ban Ki Moon vom polnischen Poznan aus in die Welt sendet: "Wir brauchen tiefe Einschnitte bei den Emissionen", sagt der UN-Generalsekretär. "Wir müssen den Entwicklungsländern bei der Abmilderung der Folgen des Klimawandels und der Anpassung an ihn helfen. Wir müssen Institutionen aufbauen, um mit ihm umzugehen. Und all dies muss heute getan werden. Die Uhr tickt!" Ban versucht am Ort der diesjährigen Verhandlungen im Rahmen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) die Delegierten wachzurütteln, die sich gerne in Kleinkriegen über die Formulierung und juristische Auslegung einzelner Paragraphen der auf dem Tisch liegenden Verträge und Vorschläge verzetteln.


Ban macht deutlich: Die Lage ist zu ernst, um sich über einige Stellen hinter dem Komma zu unterhalten. Denn alle neueren Zahlen, die die Hochleistungrechner der Klimaforscher ausspucken, sagen nur eins: Der Klimawandel kommt schneller als bislang gedacht, und die Folgen werden verheerend sein.

Die Finanzkrise, die viele Minister in Poznan als Argument anführen, warum jetzt das Geld für mutigere Schritte fehle, deutet Ban taktisch geschickt in einen Vorteil um: Jetzt gibt es die Chance, die Welt ein wenig umzukrempeln, die Gesellschaft nachhaltiger zu machen, in den reichen Ländern Ballast abzuwerfen und eine Wirtschaft aufzubauen, die ökologisch und sozial Bestand haben kann.

Und er sagt auch warum das nötig ist. "Wir brauchen globale Solidarität. Millionen Menschenleben hängen davon ab."

CHEF UND VORARBEITER

Wenn Ban der Chef des Unternehmens "Klimawandel stoppen" ist, dann ist Konferenzleiter Ivo de Boer der hemdsärmelige Vorarbeiter. Er holt den Mann aus Korea im schwarzen Anzug auf den Teppich zurück und macht erst einmal deutlich, dass in Poznan keine allzu konkreten Ergebnisse zu erwarten sind. Hier sind die Leute in den Latzhosen zugange. Es handele sich um eine "blue collar conference", sagt de Boer, aber "die Konferenz kriegt die Dinge erledigt".

Ja, beim Fonds für die Anpassung an den Klimawandel, über den die Entwicklungsländer für die Folgen der von den Industriestaaten verursachten Misere entschädigt werden sollen, seien noch ein oder zwei Fragen offen. Kriegen wir hin.

Auch die Frage, ob die CCS-Technik (Carbon Dioxide Capture and Storage), die Abscheidung und unterirdische Lagerung von Kohlendioxid in Kohlekraftwerken als Instrument aufgenommen werden soll, sei noch offen. Die meisten, die das hören, wissen, dass die Technik in der Erprobung ist und frühestens 2020 zur Verfügung steht - und somit als Verschleppungstaktik der etablierten Energiekonzerne dient, die so lange wie möglich mit den alten, bereits abgeschriebenen Kraftwerken Profite einfahren und neue CO2-Schleudern bauen wollen.

DER GEIST VON POZNAN

In allen Arbeitsgruppenräumen und Fluren der Konferenz im Messezentrum Posens geistert ein Mann herum, der physisch nicht anwesend, aber psychisch äußerst präsent ist: Barack Obama, der gewählte Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, dem größten CO2-Verschmutzer des Planeten. "Wir hätten mehr erreichen können, wenn die USA dem Kyoto-Protokoll beigetreten wären", sagt Ban mit einem Seitenhieb auf den scheidenden US-Präsidenten George W. Bush. Obama habe ihm in einem Telefonat versichtert, dass der Klimawandel ein "prioritäres Thema" für ihn sei.

Das Obama-Team sei auf der Linie der UNO und willens, einer "globalen Partnerschaft" beizutreten, die dringend erforderlich sei, wird Ban nicht müde zu betonen. Und er hofft, dass auch die Europäische Union am Freitag in Brüssel "leadership" zeigt und klare Signale in die Welt sendet, beim Klimaschutz wie bisher voran zu gehen. Doch in Brüssel knicken die Politiker, allen voran die "Klima-Kanzlerin" Angela Merkel, reihenweise angesichts einer massiven Obstruktionspolitik der Industriekonzerne und einiger osteuropäischer Staaten ein.

Dafür versprühte der demokratische US-Senator John Kerry in Poznan Hoffnung. "President Obama will be like night and day compared to President Bush" , sagte der Demokrat aus Massachusetts. "Congress and the president-elect are committed to movement on mandatory goals as rapidly as possible."

POKERN IM TREIBHAUS

EU-Umweltkommissar Stavros Dimas beeilt sich in Posen denn auch zu betonen: "Alle 27 EU-Mitglieder sind sich einige über die Einhaltung der Ziele." Nur über die Wege dahin gebe es eben unterschiedliche Auffassungen. Das Ziel ist für die EU laut Dimas: "30 Prozent Reduzierung" der CO2-Emissionen, wenn andere Industriestaaten ebenfalls bedeutende Verpflichtungen eingehen, und 20 Prozent, wenn dies nicht geschieht.

Ende März 2009, so Dimas, würden die Entwicklungs- und Schwellenländer ihre Ziele benennen. Und natürlich warte die EU auch gespannt darauf, dass die USA ihre "targets" herausrücken. In Posen ist ein Pokerspiel im Gange. Wer zuerst klare Verpflichtungen eingeht, hat verloren, sprich: muss mehr zahlen als andere.

UN-GIPFEL IM SEPTEMBER?

Ban räumt ein, die Konferenz von Poznan werde keine endgültigen Entscheidungen treffen, die werden erst beim Klimagipfel in Kopenhagen im Dezember 2009 zu erwarten sein. Aber er macht Druck auf die Delegationen. Er überlege, ob nicht ein UN-Gipfel im September 2009 in New York Sinn mache, sagt er vor der versammelten Weltpresse. Unbegrenztes Vertrauen in die Mechanismen der mitunter sehr technischen Beratungen im Rahmen der UN-Klimakonvention und die teilweise festgefahrenen Positionen der einzelnen Delegationen hat er nicht.

"Die Industrieländer müssen die Führung übernehmen", mahnt Ban Ki Moon. Schon aus ihrer historischen Verpflichtung heraus, denn sie haben den Planeten seit der industriellen Revolution mit CO2 aufgeheizt. Und sie haben die finanziellen Ressourcen dazu. Auch das hat die Finanzmarktkrise gezeigt. Wenn es darauf ankommt, können binnen weniger Wochen hunderte von Milliarden Dollar und Euro mobilisiert werden.

Wenn eine Botschaft von Poznan ausgeht, dann diese: Es kommt jetzt darauf an! Der Umweltminister der Malediven, die bereits auf der Suche nach einer neuen Heimat sind, weil die eigene im Zuge des Anstiegs der Meeresspiegel unterzugehen droht, zeigt sich erschüttert vom Verlauf der Konferenz. "Wir sind wirklich enttäuscht von den Fortschritten, die wir hier in Poznan sehen", gibt Amjad Abdulla zu Protokoll. Die höchste Erhebung seines Landes misst einen Meter über dem Meeresspiegel. " We are drowning, and there is this huge gap in commitment."

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