Die Delegation ist noch bis Sonntag in Berlin und will die Bundeshauptstadt als Open Source-Standort kennenlernen, Geschäftskontakte aufbauen und lokale Förderstrukturen verstehen. Finanziert wurde ihre Teilnahme durch die Internationale Weiterbildung und Entwicklung gGmbH (InWEnt), betreut wird sie von der Agentur newthinking communications und der TSB Technologiestiftung Berlin.
Moderne Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), berichtet James Wire Lunghabo, "hat das Leben in Afrika viel leichter gemacht". Die Bauern auf dem Land wurden von den Händlern "lange betrogen" - jetzt können sie die Marktpreise für ihre Produkte per Mobiltelefon abfragen. Wenn James Wire den Eltern in seiner Heimatgemeinde früher 100 Dollar zukommen lassen wollte, kostete die Reise einen Tag, eine Übernachtung und die Busfahrt - 150 Dollar alles in allem. Heute kann er das Geld per Handy überweisen. Die Ranger von Naturparks nutzen IKT, um Elefantenherden zu orten, Farmer halten ihren Viehbestand damit zusammen. In den Gesundheitsstationen auf dem Land können Krankenschwestern einen Arzt per Mobiltelefon oder Internet konsultieren, wenn sie Rat brauchen.
ZAHLREICHE HÜRDEN
Die Nutzung von IKT im Dienste des Menschen könnte in Afrika viel weiter sein, wenn nicht zahlreichte Hürden existierten, die ihre Nutzung einschränken. Neben den technischen Problemen - mangelnde Anbindung an internationale Hochgeschwindigkeitsnetze, instabile Stromversorgung, Computer, die nicht auf afrikanische Hitze- und Staubeinwirkung ausgelegt sind - macht den afrikanischen IT-Experten die Unkenntnis und Ignoranz von Behörden und Politikern zu schaffen. Denn der massenhafte Einsatz von Free and Open Source Software (FOSS) auf der Basis des kostenlosen Linux-Betriebssystems könnte viel Geld sparen und Afrikas Entwicklung einen Schub geben.
Mit Open Source Software, die im Gegensatz zu Betriebssystemen und Anwendungen etwa von Microsoft keine Lizenzgebühren kostet, können lokale IT-Unternehmen gestärkt und lokale Wertschöpfungsketten aufgebaut werden. So entstünden immer mehr angepasste Softwareprodukte und Firmen mit dem Etikett "Made in Afrika". Linux-Systeme erfordern nicht die neueste Hardware, auch ein älterer Rechner kann noch seinen Dienst tun.
Deutschland unterstützt diese Entwicklung über das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) durch das Programm "ict@innovation - Creating Business and Learning Opportunities with Free and Open Source Software in Africa". Die internationale Weiterbildungsinstitution InWEnt mit Sitz in Bonn führt ict@innovation zusammen mit FOSSFA durch. Das Programm baut gezielt Kapazitäten im Bereich Wirtschaftsentwicklung und Open Source auf und fördert internationale Kooperationen - dazu gehört auch der Besuch der FOSSFA-Delegation in Berlin.
LÜGEN, ALKOHOL UND FRAUEN
Weil auch die "Big Player" im Software-Geschäft Afrika als Absatzmarkt im Blick haben, hat die Strategie, kostenlose und lokal angepasste Alternativen zu verwenden, noch nicht richtig gezündet. Mit Ausnahme von Ägypten, so James Wire Lunghabo, kümmert sich keine Regierung in Afrika um die Verbreitung von FOSS. "Wir haben keine Obamas in Afrika", witzelt der IT-Berater, der in Ugandas Hauptstadt Kampala die Firma "Linux Solutions" betreibt.
Dafür, dass das so bleibt, sorgen "skrupellose Praktiken multinationaler Konzerne", sagt James Wire Lunghabo. Konzernvertreter machen afrikanischen Entscheidern in Unternehmen und Behörden weis, das freie Betriebssystem Linux laufe nicht auf Rechnern in Afrika. Auf exklusiven "Dienstreisen" werden sie mit Einladungen in Nachtclubs, Alkohol und Bestechungsgeldern, die teilweise einem doppelten Jahresgehalt entsprechen, von der Qualität teurer Markensoftware "überzeugt". "Auf ihren Websites preisen sie ihre Corporate Social Responsibility und Business Ethics. In Afrika machen sie das genaue Gegenteil davon", konstatiert der IT-Experte.
Trotz aller Hürden haben afrikanische Entwickler mit Hilfe von FOSS mittlerweile eine Reihe von Produkten geschaffen, die an die besonderen Bedürfnisse des Kontinents angepasst sind und anderen Mut machen können, es ihnen gleichzutun. Dazu gehört Chisimba, eine freie Entwicklungsumgebung für Content Management Systeme oder Blogs. Mbuni ist ein Gateway für Multimedia Messaging Services (MMS). CoopWorks ist ein Informations- und Managementsystem für landwirtschaftliche Genossenschaften, das in Kenia entwickelt wurde. Translate.org.za ist eine Non-profit Organisation, die quelloffene Software wie OpenOffice, den Browser Mozilla Firefox oder das Mailprogramm Thunderbird in die elf offiziellen Landessprachen übersetzt, die in Südafrika gesprochen werden, darunter Afrikaans, Ndebele, Xhosa und Zulu. Mit AVOIR haben 16 afrikanische Universitäten eine virtuelle Plattform für die Software-Entwicklung auf der Basis von FOSS gegründet. Seit Anfang 2009 bieten sie einen FOSS-Masterstudiengang an.
Was erhoffen sich die afrikanischen IT-Experten von den europäischen Partnern? Nnenna Nwakanma aus der Elfenbeinküste, eine FOSSFA-Pionierin, die unter anderen die African Civil Society on the Information Society (ACSIS) und das African Network of Information Society Actors (ANISA) berät, verweist auf zwei Dinge, die Afrika dringend braucht: Hilfe bei der Ausbildung von IT-Experten und die Unterstützung von Interessen- und Lobbygruppen, die die Verwendung von FOSS vorantreiben.
Übrigens: Während Sie diese Zeilen lesen, ist Free and Open Source Software am Werk. Der Text wird von einer kostenlosen MySQL-Datenbank an Sie ausgeliefert, die mit einem kostenlosen Apache-Webserver verbunden ist, auf dem wiederum das kostenlose Content Management System (CMS) Joomla für eine ansprechende optische Präsentation und eine komfortables Aktualisieren sorgt. All dies läuft auf einem kostenlosen Debian Linux Betriebssystem. Ohne FOSS wäre Entwicklungspolitik Online nicht in der Lage, Ihnen Nachrichten und Hintergrundberichte kostenlos zur Verfügung zu stellen.