Antananarivo/Berlin (epo.de). - Britische, indische und südkoreanische Firmen versuchen, im großen Stil Land auf Madagaskar aufzukaufen. Vor allem ein Deal zwischen der Regierung Madagaskars und dem südkoreanischen Konzern Daewoo über die Überlassung von 1,3 Millionen Hektar bestem Ackerland hatte Ende letzten Jahres für weltweites Aufsehen gesorgt. Die Menschenrechtsorganisation FIAN und das katholische Hilfswerk Misereor forderten Rajoelina am Montag auf, dem Ausverkauf des Landes eine klare Absage zu erteilen und die Landrechte der heimischen Bauern zu sichern.
Der Handel mit Daewoo war einer der Gründe, die zum
Umsturz auf dem Inselstaat führten. Der im Kampf um die Macht im afrikanischen Inselstaat siegreiche und seit März amtierende Präsident Andry Rajoelina habe das das Geschäft bislang noch nicht endgültig rückgängig gemacht, kritisierten FIAN und Misereor. Offenbar wolle Daewoo mittels der neu gegründeten Tochtergesellschaft Madagascar Tsaku SARLU weiterhin Land im großen Stil aufkaufen.
Das britische Unternehmen
Gem BioFuels hat bislang 13.300 Hektar auf Madagaskar mit der Energiepflanze Jatropha, bepflanzt, um Biodiesel herzustellen. Die Firma hat eine Option auf 450.000 Hektar. Das indische Unternehmen Varun Agriculture Sarl will in der Region Sofia auf Madagaskar
mehr als 230.000 Hektar für 50 bis 99 Jahre pachten. Auf dem Land sollen Reis, Mais, Weizen, Gemüse und andere Feldfrüchte angebaut werden. Rund die Hälfte davon soll in den Export gehen.
"Das Prinzip ist immer das gleiche: Energiepflanzen und Grundnahrungsmittel sollen für den Export angebaut werden", erklärte Roman Herre, Agrarexperte von FIAN Deutschland. "Damit droht eine Verdrängung der lokalen Bevölkerung von ihrem Land und eine Abhängigkeit von ausländischen Firmen über Generationen".
RECHT AUF NAHRUNG VERLETZT
FIAN und Misereor werfen der EU und den USA vor, diese Entwicklung über ihre Mitspracherechte bei der Weltbank gefördert zu haben. "Kontinuierlich wurde Druck auf die madagassische Regierung ausgeübt, ihre Land-Gesetzgebung zu modernisieren und an die Anforderungen von Investoren anzupassen", sagte Ulrike Bickel, Energiereferentin von Misereor. Diese Forderungen habe der sehr wirtschaftsliberale Präsident Ravalomanana umgesetzt. Seit 2007 könnten ausländische Investoren Land bis zu 99 Jahre pachten.
"Solche 'Entwicklungsstrategien' verletzen das Recht auf Nahrung vieler Kleinbauern und gefährden die Ernährungssicherheit", kritisierte Herre. "Dies ist doppelt schlimm in armen Ländern wie Madagaskar, die ohnehin auf Nahrungsmittelimporte angewiesen sind." Wenn die Nahrungsmittelpreise wieder steigen, nehme auch der Hunger zu. FIAN und das Kleinbauernnetzwerk La Vía Campesina forderten Rajoelina in einer Briefaktion auf, die Vertragsverhandlungen mit Daewoo offiziell zu widerrufen, alle Verhandlungen für großflächige Landverpachtung auf Eis zu legen und den Zugang zu Land für kleinbäuerlichen Nahrungsmittelproduzenten zu schützen und zu verbessern.
Auch Misereor zeigte sich besorgt: "Unsere madagassischen Partner kritisieren schon lange die verantwortungslose Intransparenz der alten wie der neuen madagassischen Regierung beim Ausverkauf der landwirtschaftlichen Nutzfläche zu Schleuderpreisen", berichtete Ulrike Bickel. Das Land werde seit Jahrhunderten traditionell von Dorfgemeinschaften von Kleinbauernfamilien und Tierhaltern genutzt. "Sie verlieren mit dem Land ihre Existenzgrundlage und sind zur Migration in die Elendsviertel der Städte gezwungen. Die Bevölkerung muss über Anfragen von Firmen frühzeitig informiert und effektiv vor dem Ausverkauf an ausländische Investoren geschützt werden."
FIAN Briefaktion Foto: Landschaft bei Fianarantsoa auf Madagaskar © Wikimedia Commons
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