Berlin (epo.de). - Der Klimawandel kann in zahlreichen Regionen schon vor dem Jahr 2050 einen Punkt überschreiten, an dem die Folgen unumkehrbar sind, und damit riesige Vermögenswerte vernichten. Hunderte Millionen Menschen wären davon betroffen, warnt eine am Montag veröffentlichte Studie des Finanzdienstleisters Allianz SE und der Umweltstiftung WWF. Zu diesen sogenannten "Tipping Points" (Kipp-Punkten) zählten die Eisschmelze an den Polen, die Trockenheit in Kalifornien, die Veränderungen des Sommermonsuns in Indien und das Waldsterben am Amazonas.
Die Studie "
Tipping Points" von Allianz SE und WWF will vor dem Klimagipfel in Kopenhagen (7. bis 18. Dezember) auf die schwerwiegenden sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen in besonders betroffenen Regionen aufmerksam machen. Das Abschmelzen der Polkappen könnte bereits vor 2050 zu einem Meeresspiegelanstieg von einem halben Meter führen, warnen die Forscher. Dies würde in den 136 Küstenstädten mit mehr als einer Million Einwohner Vermögenswerte von mehr als 28 Billionen US-Dollar gefährden. Allein an der Nordostküste der USA würden die dadurch gefährdeten Werte bis 2050 von heute 1,35 auf 7,4 Billionen Dollar ansteigen.
Küstenregionen seien stärker von den Folgen des Klimawandels betroffen, weil hier Stürme und Fluten gleichzeitig auftreten und verheerende Auswirkungen haben können, wie der Hurrikan Katrina 2005 in New Orleans zeigte. Die Autoren der Studie schätzen, dass im Großraum New York die Schäden eines Hurrikans der Stärke 4 heute bei einer Billion US-Dollar liegen würden, im Jahr 2050 aber bereits fünf Billionen US-Dollar übersteigen könnten.
Der Südwesten der USA, hauptsächlich Kalifornien, könnte hingegen ähnlich wie Südeuropa von extremer Trockenheit betroffen sein. Laut der "Tipping Points"-Studie werden Dürren spätestens ab Mitte des Jahrhunderts das regionale Klima bestimmen und weitreichende Folgen für die Landwirtschaft, die Wasserversorgung und für die Wälder haben. Die Studie schätzt, dass sich die Schäden durch Waldbrände bis 2050 auf jährlich bis zu 2,5 Milliarden Dollar verzehnfachen könnten. Hinzu kämen indirekte Schäden durch die sozio-ökonomischen Veränderungen in der Landwirtschaft und anderen Wirtschaftsbereichen.
MILLIONEN INDER BEDROHT
Veränderungen im indischen Sommermonsun wie etwa die Verschiebung von Niederschlagsgebieten und -zeiten sowie das Abschmelzen der Gletscher im Himalaya könnten der Studie zufolge zunehmend Dürren und Trockenheit auslösen. Über 70 Prozent der arbeitenden Bevölkerung sind in Indien von der Landwirtschaft abhängig, ihre Existenz damit unmittelbar gefährdet. Die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser und Nahrungsmitteln und die Gesundheit der Menschen in der Region wären bedroht. Die Kosten werden auf rund 40 Milliarden Dollar pro Jahrzehnt bis zur Mitte des Jahrhunderts geschätzt.
Häufig auftretende Dürren und erhöhte globale Temperaturen könnten dazu führen, dass bis zur Mitte des Jahrhunderts das Absterben von bis zu 70 Prozent des Amazonas-Regenwaldes (bis 2100) vorprogrammiert ist. In der Folge würden in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts große Mengen Kohlenstoffdioxid freigesetzt werden. Bei einer Temperaturerhöhung von zwei Grad Celsius wäre der Studie zufolge ein Verlust von rund 1,6 Millionen Quadratkilometer Regenwald zu erwarten. Umgerechnet würden dadurch zusätzliche CO2-Minderungskosten von bis zu drei Billionen US-Dollar verursacht.
GEMEINSAMER KLIMASCHUTZ NOTWENDIG
"Die prognostizierten katastrophalen Folgen der Kipp-Punkte betreffen viele Regionen. Eine gemeinsame weltweite Anstrengung aller Länder zur Bewältigung des Klimaproblems ist für alle ökonomisch und ökologisch von Vorteil", erklärte Regine Günther, Leiterin Klima- und Energiepolitik des
WWF Deutschland. "Auch die USA müssten im Eigeninteresse ihre Treibhausgasemissionen massiv reduzieren. Der wichtigste nächste Schritt auf diesem Weg ist ein rechtlich verbindliches Abkommen in Kopenhagen."
Die Versicherer und ihre Kunden betrifft der Klimawandel mehrfach. Klimabedingte Wetterkatastrophen wie Stürme, Fluten oder Waldbrände sorgen für eine Zunahme direkter Schäden. Daneben drohen signifikante Folgeschäden insbesondere in der Landwirtschaft und in der Energieversorgung durch nachhaltige Störungen des Wasserhaushaltes. Zusätzlich erhöht allein der steigende Meeresspiegel die Menge der potenziell gefährdeten Werte in Küstennähe massiv und führt zu deutlich größeren Schadenszenarien.
Klima-Kipp-Punkte verschärfen die Situation, weil sie plötzlich und schon früher als andere Klimafolgen eintreten können. Zudem sind sie oft irreversibel. "Als Versicherer und Investor müssen wir unsere Kunden auf diese Szenarien vorbereiten, solange noch Handlungsspielräume bestehen", sagte Clemens von Weichs, Vorstandsvorsitzender der
Allianz Reinsurance. "Risikogerechte und nachhaltige Prämiengestaltung sind für alle Beteiligten von vitalem Interesse, da nur sie den Fortbestand von Deckungslösungen garantieren."
Die Allianz will dem Klimawandel durch den frühzeitigen Dialog mit den Kunden begegnen. So sollen rechtzeitig Gegenmaßnahmen aufgezeigt und gemeinsam konkrete Deckungskonzepte erarbeitet werden, sei es für bestehende Werte oder für zukünftige klimagerechte Projekte wie alternative Energie- und Wasserversorgungskonzepte, Wasserschutzbauten oder für den Schutz vor Ernteausfällen.
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