Berlin (epo.de). - Internationale Experten halten die Spitzenstellung Deutschlands in der Nachhaltigkeits- und Klimapolitik für gefährdet. Während der globale Wettbewerb um Zukunftslösungen in Politik und Wirtschaft zunehme, bleibe Deutschland unter seinen Möglichkeiten, heißt es in einem Gutachten einer internationalen Gruppe aus Klima-, Wirtschafts- und Nachhaltigkeitsexperten, das am Montag in Berlin der Bundesregierung übergeben wurde.
In ihrem Bericht "Sustainability made in Germany – We know you can do it" empfehlen die Gutachter Bundeskanzlerin Angela Merkel, die deutsche Nachhaltigkeitspolitik schwungvoller und wirksamer fortzuführen. Dies bedeute insbesondere, alle Bundes- und Landesministerien stärker an Nachhaltigkeitspolitik zu beteiligen und sich besser mit der Wirtschaft abzustimmen.
Die sieben Gutachter aus Schweden, Finnland, Großbritannien, den Niederlanden, Indien, den USA und Kanada haben die deutsche Politik und Wirtschaft kritisch analysiert. Sie bescheinigen Deutschland grundsätzlich gute wirtschaftliche und technologische Voraussetzungen für eine Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Bei Effizienztechnologien, erneuerbaren Energien und Recyclingtechnik etwa gehöre Deutschland zur Weltspitze und genieße international hohes Ansehen. Nun aber sei es Zeit, solche Talente nicht mehr nur punktuell in Nischen zu nutzen, sondern koordiniert und entschlossen vorzugehen, sagte Björn Stigson, Vorsitzender der Gutachter und Präsident des World Business Council for Sustainable Development. "Deutschland verhält sich leider noch wie eine jener Fußballmannschaften, die immer gut spielen, aber nie das entscheidende Tor schießen." Das Land sei dank seiner guten Voraussetzungen aber nicht nur in der Lage, sondern stehe sogar in der Pflicht, international eine Führungsrolle beim Übergang zu einer nachhaltigen, klimaneutralen Wirtschaft zu behaupten und auszubauen.
Dazu müsse die Führungskompetenz des Bundeskanzleramts gestärkt und Nachhaltigkeit zum Thema aller Bundesressorts gemacht werden. Die Länder müssten einbezogen, die parlamentarische Kontrolle im Sinne der Nachhaltigkeit müsse gestärkt werden. Außerdem soll die Bundesregierung gemeinsam mit der Wirtschaft einen Handlungskorridor bis zum Jahr 2050 abstecken. Ohne solche Instrumente, so das Expertenurteil, sei der Umbau insbesondere der ressourcenintensiven deutschen Wirtschaft zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft in der gebotenen Geschwindigkeit kaum zu schaffen.
Die Gutachter richten in ihrem von der Bundesregierung erbetenen Bericht konkrete Handlungsempfehlungen an die deutsche Politik. Unter anderem raten sie zu institutionellen Reformen auf Bundes- und Länderebene, die eine wirksamere Durchsetzung der vorhandenen nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ermöglichen. Dazu zählten neben einer stärkeren Führungsfunktion des Bundeskanzleramts die gebündelte Bearbeitung der Themen Klima und Energie und ein konkreter Aktionsplan für nachhaltige Entwicklung.
Die Gutachter legten der Bundesregierung außerdem nahe, die nationale Nachhaltigkeitsstrategie um ein so genanntes Grand Design für das Jahr 2050 zu erweitern. Es soll die fundamentalen Veränderungen darstellen, vor denen die deutsche Gesellschaft steht, und mögliche Wege in die Zukunft aufzeigen.
Auf der Jahreskonferenz des Nachhaltigkeitsrates am Montag in Berlin forderte der Vorsitzende des Rates für Nachhaltige Entwicklung, Volker Hauff, zudem zu einer Abkehr von ihrer "noch zu breiten und undifferenzierten Wachstumsstrategie" auf. Die deutsche Konjunkturpolitik, so Hauff, müsse sich viel entschiedener auf zukunftsfähige, kohlenstoffarme Wirtschafts- und Technologiezweige sowie auf Energieeffizienz konzentrieren.
www.nachhaltigkeitsrat.de