Tropenwald in BrasilienGöttingen (epo). - Der Schutz biologischer Vielfalt in tropischen Landschaften, deren Naturwald durch menschlichen Einfluss bereits stark fragmentiert wurde, lässt sich durch eine gezielte landwirtschaftliche Nutzung unterstützen. Insbesondere Kleinbauern in Entwicklungsländern könnten maßgeblich zum Erhalt der Biodiversität beitragen, indem sie die Landwirtschaft in so genannten Agroforstsystemen - wie zum Beispiel Kaffeeanbau unter Schattenbäumen - auf eine zertifizierte Produktion umstellen, so Göttinger Wissenschaftler.

Mit einer finanziellen Förderung solcher Umweltleistungen böten sich neue Wege, Umwelt- und Entwicklungspolitik in eine gemeinsame Strategie zu integrieren, lautet die Zwischenbilanz von Wissenschaftlern des Instituts für Forstökonomie an der Universität Göttingen. In einem internationalen Forschungsvorhaben befassen sie sich seit zweieinhalb Jahren zusammen mit Agrarökologen und Bodenkundlern mit der "Bewertung biologischer Vielfalt von Landnutzungssystemen in einer mega-diversen Region in Ecuador". An dem bis Mitte 2006 laufenden Projekt BIO-SYS unter der Leitung von Dr. Roland Olschewski sind sechs Doktoranden und 16 Masterstudierende beteiligt.

Tropische Landschaften sind häufig nicht mehr von Regenwald bedeckt, sondern bilden ein Mosaik verschiedener Landnutzungsformen. Dabei stellen Agroforstsysteme in vielen Gebieten die Reste bewaldeter Flächen dar, in deren Umfeld landwirtschaftlicher Anbau betrieben wird. Um zu verhindern, dass diese Gebiete ebenfalls in strukturarme "Offenlandflächen" zum Beispiel für die Weidewirtschaft umgewandelt werden, wurden in der Vergangenheit zumeist Schutzgebiete ohne Nutzung ausgewiesen.

"Dies ist jedoch mit hohen Kosten verbunden und hat häufig zu Konflikten mit der ansässigen Bevölkerung geführt", erklärte Olschewski. Vor diesem Hintergrund gewinne der Erhalt biologischer Vielfalt auf privaten, genutzten Flächen eine besondere Bedeutung. "Mit der Umstellung der Landwirtschaft unter Aspekten der Artenvielfalt und der finanziellen Honorierung von ökosystemaren Leistungen ließen sich Biodiversitätsschutz und Armutsbekämpfung direkt miteinander verknüpfen", sagte der Forstökonom. "Auf diese Weise können zum Beispiel auch Bio-Korridore oder Pufferzonen für Nationalparks geschaffen werden."

Tropenwald in Brasilien. Foto: epo-Archiv
Tropenwald im Bundesstaat Par?, Brasilien. Foto: epo-Archiv

Die Göttinger Wissenschaftler erfassen in einer besonders gefährdeten Region von Ecuador Landnutzungssysteme, die eine hohe Artenvielfalt aufweisen, und modellieren in diesem Zusammenhang die Wirkungen von Nutzungsänderungen. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich die von uns untersuchten Agroforstsysteme positiv auf die Insekten- und Pflanzendiversität auswirken und außerdem für eine Verbesserung der Bodenqualität sorgen", so Olschewski.

Zugleich bewertet das Forscherteam aber auch das wirtschaftliche Potential unterschiedlicher Landnutzungen. Auf der Basis von Ertrags- und Preisinformationen lasse sich dabei auch das Risiko von Gewinnschwankungen kalkulieren. Diese machten zum Beispiel den Kaffeeanbau wenig attraktiv für die arme Landbevölkerung, die auf ein stabiles Einkommen angewiesen ist und dafür auch geringere Erlöse wie bei der Weidewirtschaft in Kauf nimmt.

"Die Förderung von Umweltleistungen kann jedoch Preiseinbrüche auf dem Weltmarkt abfedern und damit den Kleinbauern einen Anreiz bieten, ihre Landwirtschaft auf einen artenreichen Anbau in Agroforstsystemen umzustellen. Ein Zertifikat sichert dabei die Einhaltung der für die Produktion vorgeschriebenen Anforderungen und hilft bei Vermarktung der Produkte", so der Vorschlag von Olschewski.

Für die Untersuchungen im Projekt BIO-SYS haben die Göttinger Wissenschaftler nach eigenen Angaben Fördermittel in Höhe von rund einer Million Euro beim Bundesministerium für Bildung und Forschung eingeworben. Die Forschungsergebnisse flössen in Ecuador direkt in politische Prozesse ein und unterstützten die Entscheidungsfindung im "Konfliktfeld Biodiversitätsschutz und Landnutzung", erklärte Olschewski.

? Institut für Forstökonomie, Georg-August-Universität Göttingen


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