diamantenschuerfer_sierreleone_wc_220Berlin. - Die Bundesregierung soll sich für verbindliche Transparenz-Standards der Zahlungsströme im Rohstoffsektor einsetzen, wie sie derzeit auf europäischer Ebene diskutiert werden. Das haben die Organisationen "Brot für die Welt", Global Policy Forum, Misereor, ONE Deutschland und Transparency International Deutschland anlässlich der Afrikareise von Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch in Berlin gefordert.

Die verbindliche Offenlegung der Zahlungsströme sei ein erster, aber wichtiger Schritt, damit Rohstoffreichtum zur Armutsbekämpfung beitragen kann, so die nichtstaatlichen Organisationen. Afrika werde für die deutsche Rohstoff- und Energieversorgung zunehmend wichtiger. Die Versorgung der deutschen Industrie mit einigen strategischen Metallen sei besonders auf afrikanische Vorkommen angewiesen. Erdöl aus Afrika solle stärker auf den deutschen Markt fließen. Die Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel stehe auch unter diesem Vorzeichen.


Die fünf zivilgesellschaftlichen Organisationen warnen davor, dass der Rohstoffabbau ohne verbindliche Transparenzstandards auf Kosten der Menschen in Afrika geht. "Die Rahmenbedingungen bei der Rohstoffausbeutung müssen stimmen. Die unternehmerischen Aktivitäten müssen transparent gestaltet werden, damit die Menschen in den Ländern von dem Rohstoffreichtum profitieren und ökologische und soziale Schäden verhindert werden", forderte Heidi Feldt vom Global Policy Forum. "Anderenfalls wird die Ausbeutung von Rohstoffen weiterhin in vielen Ländern zu Verletzungen von Menschenrechten und zur Verschärfung gewaltträchtiger Konflikte beitragen", warnte Martin Quack von "Brot für die Welt".

Bestechung und Korruption seien in vielen rohstoffreichen Ländern wesentliche Faktoren, die einen transparenten Rohstoffabbau verhindern. "Länder in der Dritten Welt mit besonders wertvollen Rohstoffvorkommen belegen im Korruptions-Wahrnehmungsindex von Transparency International regelmäßig die hinteren Plätze. Transparenz ist ein zentrales Instrument zur Korruptionsvorbeugung. Die USA haben im letzten Jahr einen neuen Standard in diesem Sektor gesetzt und es stünde den europäischen Regierungen gut zu Gesicht, diesem Beispiel zu folgen", sagte die Vorsitzende von Transparency International Deutschland, Edda Müller. 
Gerade für rohstoffarme Länder wie Deutschland sei Transparenz im Rohstoffsektor zentral. Deutschland müsse aufgrund des geringen Anteils deutscher Unternehmen an der Rohstoffausbeutung ein besonders hohes Interesse an einem transparenten Rohstoffmarkt haben.

"Wenn es der Bundesregierung mit ihren Bekenntnissen zu Marktwirtschaft und guter Regierungsführung ernst ist, muss sie auch Ernst machen mit der erforderlichen Transparenz unternehmerischer Aktivität im Rohstoffsektor", erklärte Georg Stoll vom bischöflichen Hilfswerk Misereor.

Derzeit wird auf europäischer Ebene beraten, wie verbindliche Transparenzstandards für den Rohstoffsektor eingeführt werden können. EU-Kommissar Barnier hat dazu für den Herbst eine Initiative angekündigt. 
"Mit einer einfachen Regelung kann Europa Armutsbekämpfung und bessere Regierungsführung in Entwicklungsländern um einen Riesenschritt nach vorne bringen", sagte der Deutschlanddirektor der entwicklungspolitischen Organisation ONE, Tobias Kahler, der eine verbindliche europäische Regelung fordert.

In den USA wurden solche Regeln im Juli 2010 im "Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act" verabschiedet, so die NGOs. Zu den Zielen des Gesetzes gehören die Förderung der Finanzstabilität sowie die Verbesserung der Rechenschaftspflicht und der Transparenz im Finanzsystem. Im Artikel 1504 ist vorgesehen, dass US-amerikanische und ausländische Firmen, die an US-Börsen registriert sind, offenlegen müssen, wie viel sie Regierungen für den Zugang und den Abbau von Erdöl, Erdgas und anderen Bodenschätzen zahlen. Damit können auch die Menschen in rohstoffreichen Ländern Informationen darüber erhalten, zu welchem Preis ihre Rohstoffe verkauft werden und wie viel Geld die Regierung aus den Rohstoffgeschäften erhält. Die US-amerikanische Regelung sieht eine länderbezogene (country-by-country) und projektbezogene (project-by-project) Veröffentlichung der Daten vor.

Das globalisierungskritische Netzwerk Attac warf der Bundesregierung am Mittwoch Schönfärberei und Egoismus vor. "Ginge es Merkel tatsächlich um die Beseitigung von Hunger und Armut in Afrika, müsste sie sowohl die Exportsubventionen von Lebensmitteln abschaffen, als auch sich von der Freihandelspolitik verabschieden", sagte Roland Süß vom Attac Koordinierungskreis. "Aber leider geht es ihr vor allem anderen um die Wahrung von wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen."

Attac bezeichnete die Äußerungen des DIHK-Geschäftsführers als "ungeschminkte Brutalität". Süss: "Wenn ein bedeutender Wirtschaftslobbyist wie Martin Wansleben von der DIHK öffentlich erklärt, Merkel solle 'einen weiterhin freien Zugang zu Afrikas Rohstoffen' sicherstellen, ist das Zynismus pur. Der Rohstoffabbau zerstört Lebensgrundlagen, geht mit schweren Menschenrechtsverletzungen einher, führt zum Abfluss der Gelder aus dem Land und hat nichts mit echten Entwicklungsperspektiven zu tun."

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