ilo_100Genf. - Die Weltwirtschaft steht am Rande einer erneuten und noch tieferen Rezession am Arbeitsmarkt. So lautet die neueste Prognose, die die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) im Vorfeld des G20 Gipfels am 3./4. November in Cannes vorgelegt hat. Laut dem "World of Work Report 2011" verzögert sich die globale wirtschaftliche Erholung. In fast zwei Dritteln aller Industrieländer und in der Hälfte der Entwicklungs- und Schwellenländer habe sich daher die Beschäftigungslage wieder verschlechtert.

In 45 von 118 untersuchten Ländern - vor allem in den Industrieländern, aber auch in der arabischen Welt und zum Teil in Asien - bestehe zudem ein deutlich erhöhtes Risiko sozialer Unruhen. Das ergaben Berechnungen der ILO, die auf Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Gallup basieren. Demnach hängt die Unzufriedenheit nicht nur mit der hohen Arbeitslosigkeit zusammen, sondern auch mit dem Eindruck, dass die Lasten der Krise ungleich verteilt sind.

"Wir haben nur noch ein kurzes Zeitfenster, um eine erneute Rezession auf den Arbeitsmärkten zu verhindern", sagte der Leiter des ILO-Instituts für Arbeitsmarktstudien, Raymond Torres, bei der Vorstellung des Berichts am Montag in Genf. 80 Millionen Arbeitsplätze müssten in den nächsten zwei Jahren geschaffen werden, um wieder zu einem Beschäftigungsniveau wie vor der Krise zu gelangen. Derzeit sehe es jedoch danach aus, als seien es höchstens halb so viele. In den Industrieländern dürfte frühestens 2016 wieder ein Niveau wie vor Ausbruch der Krise erreicht werden.

Deutschland stellt eine Ausnahme dar, denn sowohl die Wachstums- als auch die Beschäftigungsraten liegen hier über dem Niveau vor Ausbruch der Krise 2008. Jedoch gingen der ILO zufolge 75 Prozent des Beschäftigungszuwachses zwischen 2009 und 2010 auf das Konto der so genannten atypischen Beschäftigungsverhältnisse - befristete Verträge, Teilzeitarbeit, Minijobs und ganz besonders Zeitarbeit. 2010 waren infolgedessen 7,84 Millionen Menschen, das heißt jeder vierte Arbeitnehmer, atypisch beschäftigt.

Diese Beschäftigungsverhältnisse gingen besonders häufig mit unterdurchschnittlichen Löhnen einher, so die ILO. 20,7 Prozent der Arbeitnehmer hätten 2010 weniger als zwei Drittel des mittleren Stundenlohnes in Höhe von 14,77 Euro verdient. 350.000 Vollzeitbeschäftigte hätten darüber hinaus als Geringverdiener ergänzende staatliche Sozialleistungen bezogen.

Da der Aufschwung in Deutschland vor allem vom Export getrieben wurde, leide inzwischen allerdings das Geschäftsklima unter der sich verschlechternden globalen Konjunktur, so die ILO weiter. Gerade habe die Bundesregierung ihre Wachstumsprognose für 2012 von 1,8 auf 1,0 Prozent gesenkt. Die ILO rechnet daher mit einer deutlichen Verlangsamung des Beschäftigungszuwachses. 2012 dürften nur noch 200.000 neue Arbeitsplätze entstehen, nach 900.000 zwischen August 2010 und August 2011.

Vor diesem Hintergrund betont der "World of Work Report" der ILO die Bedeutung von Löhnen und Gehältern als Motor für die Nachfrage. Nicht nur in Deutschland könne eine Umkehr des Trends zu immer niedrigeren Lohnquoten einen wichtigen Beitrag zu einer globalen Konjunkturerholung leisten. Dadurch würde das Wachstum nachhaltiger, und die Einkommen von Geringverdienern würden gestützt. Überdies würden die innereuropäischen Ungleichgewichte vermindert, wenn durch eine höhere heimische Nachfrage der deutsche Exportüberschuss gegenüber anderen EU-Ländern reduziert werde.

Den Spielraum dafür gebe es, halten die Autoren des Berichts fest. So seien zwischen 2005 und 2010 die Löhne und Gehälter real nur um 0,6 Prozent gestiegen, während zugleich die Arbeitsproduktivität um 4,7 Prozent zugenommen hätte. Die Gewinnquote von Unternehmen außerhalb des Finanzsektors sei zudem zwischen 2000 und 2007, also vor Beginn der Krise, um 4,2 Prozentpunkte gestiegen, während der Anteil von Investitionen am Bruttoinlandsprodukt um 0,8 Prozentpunkte fiel.

Ein erfolgreiches Umsteuern hänge entscheidend vom sozialen Dialog ab. Denn es habe sich gezeigt, dass Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik effektiver ist, wenn sie gemeinsam mit den Sozialpartnern durchgeführt wird.

www.ilo.org

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