Von Alejandro Sciscioli (IPS)

IPSAsunción (IPS/epo). - In Paraguay befürchten politische Beobachter und Aktivisten, die USA wollten in dem kleinen lateinamerikanischen Land auf Dauer einen militärstrategischen Brückenkopf etablieren. Die Regierung in Asunción bestreitet derartige Absichten. Das Parlament hat jedoch erst vor einigen Wochen beschlossen, die Aufenthaltserlaubnis für hier vorübergehend stationierte US-Truppen auf 18 Monate auszudehnen. Bislang war sie auf ein halbes Jahr begrenzt.

Mit Zustimmung des Parlaments können mehr als 150 US-Soldaten an 13 gemeinsamen Einsätzen teilnehmen. Zuvor schon war die Regierung den USA entgegen gekommen und hatte in einem bilateralen Abkommen zugesagt, US-Soldaten, die sich strafbar machen, weder vor ein einheimisches Gericht zu stellen noch an den Internationalen Strafgerichtshof oder ein anderes Gericht außerhalb der USA auszuliefern.

Bei ihrer Amtsübernahme im August 2003 hatte die Regierung von Staatspräsident Óscar Nicanor Duarte, wie verschiedenen andere lateinamerikanische Staaten auch, die Forderung der USA nach Straffreiheit für ihre Soldaten zurückgewiesen. Washington strich darauf hin im Dezember 2003 die für zehn Länder bestimmte Wirtschaftshilfe von insgesamt 330 Millionen US-Dollar. Betroffen waren auch Ecuador, Paraguay, Peru, Uruguay und Venezuela.

"Ohne vorherige Debatte und ohne die Öffentlichkeit zu informieren, haben die Abgeordneten einer Rahmenvereinbarung zugestimmt, deren Bedeutung sie offenbar nicht kannten", klagte der Journalist und Menschenrechtsaktivist Alfredo Boccia Paz gegenüber IPS.

DREILÄNDERECK IM VISIER WASHINGTONS

Auch die Historikerin und politische Analystin Milda Rivarola zeigte sich über die verlängerte Präsenz US-amerikanischer Truppen im Land besorgt. In einem Interview mit IPS sagte sie: "Praktisch operieren US-Soldaten schon seit mehr als 50 Jahren in Paraguay." Sie betonte, Washington richte sein besonderes Augenmerk auf das Grenzgebiet zwischen Paraguay, Argentinien und Brasilien. Verschiedene internationale Geheimdienste verdächtigen die hier ansässige große arabisch-stämmige Gemeinde, islamistische Fundamentalisten zu verstecken und finanziell zu unterstützen.

Handfeste Beweise für derlei Aktivitäten gibt es bislang nicht. Das Dreiländereck ist jedoch für einen florierenden Waffenhandel und den Schmuggel mit gefälschter Markenware, die überwiegend in Brasilien landet, hinreichend bekannt.

Rivarola betonte, die Geheimdienste nähmen besonders das paraguayische Grenzegebiet ins Visier, weil sich das kleine Paraguay (mit sechs Millionen Einwohnern) "als schwächstes Mitglied des südamerikanischen Handelsblocks Mercosur am leichtesten unter Druck setzen lässt." Argentinien, Brasilien und Uruguay sind die übrigen Vollmitglieder von Mercosur. Bolivien und Chile sind assoziiert.

Die enger werdenden Beziehungen Paraguays zu den USA seien nicht allein auf den militärischen Sektor beschränkt, unterstrich Boccia Paz. Auch in der Außenpolitik bewege sich Paraguay zunehmend auf die USA zu.

Paraguay war bislang an möglichst ausgewogenen Beziehungen zu seinen großen Nachbarn Argentinien und Brasilien gelegen. Als Beispiele dieses Balanceakts gelten die Staudämme von Itaipú und Yacyreté, die gemeinsam mit Brasilien beziehungsweise mit Argentinien gebaut wurden.

Doch seit der Entführung von Cecilia Cubas, der 32-jährigen Tochter des ehemaligen paraguayischen Staatspräsidenten Raúl Cubas (1998-1999) im Spätherbst 2004, die im Februar dieses Jahres ermordet aufgefunden wurde, und den anschließenden stümperhaften Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden bemüht sich Paraguays stellvertretender Staatspräsident Luis Castiglioni um engere Beziehungen zur US-Regierung.

Diplomatischen Quellen zufolge ist Staatspräsident Nicanor Duarte von diesen Kontakten nicht sonderlich angetan.

USA UM PARAGUAY BEMÜHT

Anfang August kündigte Castiglioni an, gegen Ende 2006 werde in der US-Botschaft von Asunción ein Büro des FBI eröffnet. Paraguays Vizepräsident hatte Anfang Juli die USA besucht und war in Washington von US-Vizepräsident Dick Cheney und von Roger Noriega, dem stellvertretenden US-Außenminister und Regierungsbeauftragten für Lateinamerika, empfangen worden.

"Erstaunlich viel Aufwand für einen paraguayischen Vizepräsidenten" bemerkte Boccia Paz. Für gewöhnlich rollt Washington für kleine lateinamerikanische Staaten nicht den roten Teppich aus.

Der Journalist und andere politische Beobachter argwöhnen, dass mit der verlängerten Aufenthaltserlaubnis für US-Militärs, der US-Soldaten zugesicherten Straffreiheit und den angekündigten 13 gemeinsamen Militärübungen das Fundament für einen möglichen US-Militärstützpunkt in Paraguay gelegt werden soll. "Der argentinische Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel hat einmal gesagt: 'Wenn die USA erst einmal da sind, dauert es lange, bis sie wieder gehen.' Das macht mir Angst", sagte er.

Inzwischen haben sowohl das paraguayische Außenministerium wie die US-Botschaft öffentlich erklärt, es gebe keine Pläne für die Errichtung eines US-Militärstützpunkts in Paraguay. "Die Regierung hat kein derartiges Abkommen getroffen", heißt es in einer von Außenministerin Leila Rachid unterzeichneten Erklärung.

Die US-Botschaft, die sich dieser Aussage anschloss, betonte, Washington habe nicht die Absicht, Soldaten für längere Zeit in Paraguay zu stationieren. Sie wies darauf hin, dass im Rahmen des ersten gemeinsamen Manövers auch die Versorgung "von hunderten oder tausenden" bedürftiger Landbewohnern in den Zentral- und Nordprovinzen Canindey?, Caazap? und Neembuc? vorgesehen ist.

Zudem weist die US-Botschaft in ihrer Erklärung darauf hin, die USA hätten keinerlei Interesse am Guaran?-Aquifer. Es könnte jedoch zum Nutzen der Menschen in der Region genutzt werden.

Das Guaran?-Aquifer ist mit 1,2 Millionen Quadratkilometern das größte Grundwasserreservoir Lateinamerikas. Es liegt zu etwa 70 Prozent unter brasilianischem Territorium. 19 Prozent gehören zu Argentinien, sechs Prozent zu Paraguay und fünf Prozent zu Uruguay.

HILFSEINSATZ FÜR DIE LANDBEVÖLKERUNG

Zwei der angekündigten 13 gemeinsamen Manöver haben bereits begonnen. Hauptmann Jorge Ram?rez, ein Presseoffizier der Armee, sagte IPS, die erste Übung diene der Anti-Terror-Ausbildung von 65 paraguayischen Luftwaffenoffizieren. Beim zweiten Einsatz (MEDRETE-1), an dem auch 35 Soldaten und Ärzte aus Puerto Rico teilnehmen, handelt es sich nach Angaben von Ram?rez um ein medizinisches Hilfsprogramm, das seit dem 26. Juli täglich rund 1.000 Kleinbauern im nördlichen Departement Canindey? versorgt.

Boccia Paz ist skeptisch. "Solche Einsätze werden immer als humanitäre Hilfe verschleiert. Es stimmt zwar, dass Hilfe geleistet wird. Doch Paraguay kann nicht kontrollieren, wie viele Agenten ins Land kommen", sagte er.

BRASILIANISCHE FALLSCHIRMJÄGER ÜBEN EINSATZ AN DER GRENZE

Bei einem Treffen Ende Juli bemühten sich die Außenminister Brasiliens und Uruguay, Celso Amorim und Reinaldo Gargano, die Bedeutung der militärischen Präsenz in Paraguay und mögliche Pläne für einen US-Stützpunkt herunter zu spielen. Als jedoch die US-Soldaten in Paraguay eintrafen, begannen in Brasilien entlang der paraguayischen Grenze ebenfalls militärische Übungen. Brasilianische Fallschirmjäger inszenierten die Abwehr eines Überfalls auf das Elektrizitätswerk von Furnas, ein wichtiger Verteilerknoten für Strom aus dem Itaip?-Kraftwerk.

Beamte des paraguayischen Außenministeriums, mit denen IPS sprach, wollten den brasilianischen Manövern in Grenznähe keinerlei Bedeutung beimessen. Mit den gemeinsamen Manövern in Paraguay hätten sie nichts zu tun, hieß es.

Inzwischen organisieren zivile Gruppen in Paraguay Proteste gegen die Militärpräsenz der USA.

Seit 2002 gab es in Paraguay 46 gemeinsame Militäreinsätze, humanitäre Missionen, Besuche und spezielle Manöver. Sie fanden im Norden in den Departements San Pedro und Concepti?n, in Alto Paran? im Osten und im westlichen Departement Boquer?n statt.

Die letzte gemeinsame Operation, einen humanitären Einsatz, gab es 2003 im Departement Concepti?n. In dieser Region engagieren sich landlose Kleinbauern für eine Landreform.

Nützliche Links:
http://ww.mercosur.org
http://www.sg-guarani.org

[Diese Nachricht erhalten Sie im Rahmen der Content-Partnerschaft von epo.de mit der Nachrichtenagentur Inter Press Service (IPS)]


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