New York/Bogotá (epo). - Die US-Administration unter George W. Bush hat in den letzten drei Jahren ihre Militärhilfe für rund zwei Dutzend Länder eingestellt oder gekürzt, um sie dafür zu bestrafen, dass sie gemäss internationalem Recht auch US-Bürger an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ausliefern wollen. Dieses Druckmittel habe sich jedoch als kontraproduktiv erwiesen, berichtet die New York Times. Das US-Militär verliere dadurch an Einfluss insbesondere in Lateinamerika, aber auch die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen verschlechterten sich.
In Lateinamerika wurden nach Angaben der New York Times vom 19. August bislang zwölf Staaten, die die von der US-Regierung verlangte Immunitäts-Vereinbarung nicht unterzeichneten, mit Entwicklungshilfe-Kürzungen sanktioniert. In sieben dieser Länder sei diese "plumpe Diplomatie" auf starke Ressentiments gestossen.
Aber auch der Oberkommandierende der US-Streitkräfte in Lateinamerika, General Bantz J. Craddock, habe sich anlässlich einer Anhörung vor dem US-Senat negativ über die Sanktionen geäußert. Die 2003 beschlossenen Maßnahmen sehen vor allem die Streichung oder Kürzung der Militärhilfe vor. Dadurch seien lateinamerikanische Offiziere von US-Trainingsprogrammen ausgeschlossen worden, und es bestehe die Gefahr, dass China die Lücke als Waffenlieferant ausfüllen werde, warnte Craddock.
Im Rahmen des internationalen US-Militärtrainingsprogrammes werden jährlich rund 3.000 Offiziere in den USA ausgebildet. Aufgrund der Sanktionen seien es jetzt pro Ausbildungsgang 770 weniger, so die New York Times. Durch die militärische Ausbildung - jahrelang wurden auch Folterpraktiken in US-Trainingseinrichtungen und lateinamerikanischen Militärstützpunkten unterrichtet - gewinnt das US-Militär beträchtlichen Einfluss auf die Armeen vor allem in Lateinamerika. Allein in Kolumbien waren in den letzten fünf Jahren mehr als 8.000 US-Soldaten stationiert.
Im Dezember 2004 wurden die Sanktionen laut New York Times auch auf die Auslandshilfe im sozialen und im Gesundheits-Bereich erweitert. Staaten, die die Immunitäts-Vereinbarung mit der US-Regierung nicht unterzeichnen, droht nun auch die Kürzung von Unterstützung bei Aids-Erziehung und Friedenserhaltung, Flüchtlingshilfe oder Reform des Justizwesens.
Kleinere Staaten spüren den Druck aus Washington. Ecuador verlor dem Zeitungsbericht zufolge aufgrund der Strafmaßnahmen seit 2003 rund 15 Millionen US-Dollar Hilfsgelder, allein in diesem Jahr sollen weitere sieben Millionen Dollar gekürzt werden. Der Präsident des Landes, in dem sich einer der größten US-Militärstützpunkte befindet, Alfredo Palacio, erklärte dennoch, er werde sich dem Druck aus Washington nicht beugen.
Die finanziellen Verluste Perus werden auf vier Millionen Dollar beziffert, diejenigen Uruguays und Boliviens belaufen sich laut New York Times auf jeweils rund 1,5 Millionen Dollar. Der kleine Karibik-Staat Dominica habe aufgrund von Finanzengpässen sein einziges Küstenwachboot zwei Jahre lang nicht einsetzen können. Deshalb habe man letzlich doch eingelenkt und das Immunitäts-Abkommen unterschrieben, sagte Dominicas UN-Botschafter Crispin Gregoire.
Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag, der vor allem Verbrechen wie Völkermord verfolgen soll, wurde von 139 Staaten unterstützt, als er im März 2003 seine Arbeit aufnahm. Die USA mit ihrem weltweiten Geflecht von Militärstützpunkten und offiziellen wie geheimen Anti-Terror-Kommandos befürchten, nicht nur Angehörige des Militärs, sondern auch politische Entscheidungsträger könnten vor Gericht gestellt werden. Zudem bestehe die Gefahr, dass Schauprozesse aus politischen Gründen stattfinden könnten. Sie haben dem Internationalen Strafgerichtshof bislang die Anerkennung verweigert. Demokratische Abgeordnete wie Bill Delahunt aus Massachusetts argumentieren dagegen, der Druck auf Staaten, US-Bürger nicht an den Internationalen Strafgerichtshof auszuliefern, habe mittlerweile nicht nur mililtärische, sondern auch politische und wirtschaftliche Rückschläge für die USA gebracht.
Nach Angaben der Bush-Administration haben mehr als 100 Staaten Immunitäts-Vereinbarungen mit den USA unterzeichnet, drei Viertel von ihnen wurden jedoch bislang nicht durch nationale Parlamente ratifiziert. Die meisten davon seien arme Länder, die auf US-Auslandshilfe angewiesen seien, so die New York Times. NATO-Staaten wie Großbritannien oder Deutschland, die den Strafgerichtshof anerkennen, und reiche Länder wie Japan wurden nicht mit Sanktionen belegt. 53 Länder, darunter Kenia, Ecuador und EU-Staaten, haben die Immunitäts-Vereinbarungen verweigert.
[Foto: US-Generalstabschef Richard Myers bei einem Besuch in Bogot?, Kolumbien. Copyright US-DoD]