Berlin. - In einem beispiellosen Zug hat ein Mitgliedsland der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine Untersuchung gegen den World Wide Fund for Nature (WWF) eingeleitet. Bisher wurde das Verfahren nur auf multinationale Unternehmen angewandt. Dem WWF wird vorgeworfen, Menschenrechtsverletzungen in Kamerun finanziert zu haben.
Survival International hatte im Februar 2016 die OECD-Beschwerde eingereicht. Darin wurden zahllose Beispiele gewaltsamer Misshandlungen und Einschüchterungen von Baka-"Pygmäen" durch WWF-finanzierte Wildhüter in Kamerun dargelegt. Survival wirft dem WWF zudem vor, für Naturschutzprojekte auf dem angestammten Land der Gemeinden nicht deren freie, vorherige und informierte Zustimmung eingeholt zu haben.
Erstmals wird mit dem WWF eine gemeinnützige Organisation in diesem Prozess geprüft. Dass die Beschwerde für zulässig erklärt wurde, deute darauf hin, dass die OECD den WWF an den gleichen Menschenrechts-Standards messen wird wie profitorientierte Unternehmen.
Der WWF finanziert Anti-Wilderei-Einheiten in Kamerun und anderen Teilen des Kongobeckens. Baka und andere Völker im Regenwald beklagen seit über 20 Jahren systematische Misshandlungen durch diese Einheiten, darunter Festnahmen, Schläge, Folter und sogar Tod, berichtete Survival International.
Erstmals forderte Survival den WWF 1991 dazu auf, sein Vorgehen in der Region zu ändern. Doch die Lage hat sich seitdem verschlechtert.
Baka haben gegenüber Survival wiederholt die Aktivitäten der Wildhüter in der Region geschildert. 2016 erklärte ein Baka-Mann: "Die [Wildhüter] schlugen die Kinder und auch die älteren Frauen mit Macheten. Meiner Tochter geht es immer noch schlecht. Sie zwangen sie sich hinzuhocken und schlugen sie überall – auf den Rücken, auf ihren Po, überall mit Macheten."
In zwei offenen Briefen haben die Baka leidenschaftliche Plädoyers an Naturschützer gerichtet: "Naturschutz-Projekte müssen Erbarmen haben, wie wir den Wald nutzen können (…) denn unsere Leben hängen davon ab."
Der WWF hat Survivals Anschuldigungen zurückgewiesen. Er erkenne an, dass Misshandlungen stattgefunden haben, erklärte aber 2015, dass solche Vorfälle "scheinbar abgeflaut sind" – trotz wiederholter Aussagen der Baka selbst. In seiner Antwort an die OECD nannte der WWF die politische Instabilität in der Region und die Schwierigkeiten im Prozess der Schaffung der „Schutzgebiete“ für Wildtier-Management als Hauptgrund dafür, dass es zu Menschenrechtsverletzungen gekommen sei. Der WWF stritt seine Beteiligung an der Finanzierung, Ausbildung und Ausrüstung der Wildhüter nicht ab.
Stephen Corry, Direktor von Survival International, erklärte: "Dass die OECD unsere Beschwerde angenommen hat, ist ein riesiger Schritt für bedrohte Völker. Sie können die OECD-Richtlinien schon jetzt nutzen, um sich gegen Unternehmen zu wehren, die ihre Rechte mit Füßen treten. Doch es ist das erste Mal, dass die Regeln auch für NGOs in der Größenordnung des WWF angewandt werden. Die Arbeit des WWF hat für indigene Völker im Kongobecken schmerzvolle Jahrzehnte gebracht. Der WWF hat nichts unternommen, um die Sorgen von Tausenden Indigenen effektiv zu adressieren, die durch seine Projekte enteignet und misshandelt wurden. Das muss sich ändern. Wenn der WWF nicht gewährleisten kann, dass seine Vorhaben UN- und OECD-Standards einhalten, sollte er sie einfach nicht finanzieren. Was auch immer der WWF an anderer Stelle Gutes tut, kann nicht entschuldigen, dass er Menschenrechtsverletzungen finanziert. Die großen Naturschutzorganisationen müssen aufhören am Raub indigenen Landes mitzuwirken. Indigene Völker sind die besten Umweltschützer und Wächter der natürlichen Welt. Sie sollten die Naturschutzbewegung anführen."
Quelle: survivalinternational.de