aerzte ohne grenzenBerlin. - Zehntausende Geflüchtete werden auf den griechischen Inseln von der Europäischen Union und Griechenland bewusst im Stich gelassen. Diesen Vorwurf hat die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen am Freitag erhoben. Derzeit säßen auf Lesbos, Samos und Chios 24.000 Schutzsuchende ohne ausreichend staatliche Versorgung in fünf völlig überfüllten Lagern fest, die für 6.300 Menschen ausgelegt seien. Dies seien so viele wie seit Anfang 2016 nicht mehr.

Im Lager Moria auf Lesbos sind laut Ärzte ohne Grenzen fast die Hälfte der Geflüchteten Kinder. Viele haben psychische Probleme. Verantwortlich für diese Krise seien das mangelhafte Aufnahmesystem auf den griechischen Inseln, fehlende Schutzmechanismen und eine ungenügende Versorgung der Geflüchteten als Folge des EU-Türkei-Deals. Die griechische Regierung und die anderen Mitgliedstaaten der EU müssten die Situation der Schutzsuchenden umgehend verbessern.

"Dies ist eine politikgemachte Krise – und sie ist nicht neu", sagte Tommaso Santo, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Griechenland. "Die griechischen und europäischen Behörden sperren Asylsuchende seit mehr als drei Jahren unter unerträglichen Bedingungen auf den griechischen Inseln ein. Diese als vorübergehende Lösung gedachte kann keine dauerhafte sein. Die Lager fügen den Menschen Schaden zu."

Teams von Ärzte ohne Grenzen helfen seit vier Jahren auf mehreren griechischen Inseln. Die humanitäre und medizinische Versorgung werde überwiegend Freiwilligenorganisationen überlassen, so die Hilfsorganisation. Auf Lesbos gebe es derzeit nur zwei Ärzte des griechischen Gesundheitssystems für 10.000 Menschen, auf Samos und Chios jeweils nur eine Vollzeitstelle für knapp 5.000 beziehungsweise 2.700 Menschen. Ärzte ohne Grenzen-Teams führen auf den drei Inseln zusammen mit anderen Freiwilligen- und Nichtregierungsorganisationen täglich Hunderte medizinische Konsultationen durch.

Im Juli hat das psychologische Team von Ärzte ohne Grenzen auf Lesbos doppelt so viele Kinder überwiesen bekommen wie in den Vormonaten. Im Juli und August wurden 73 Kinder überwiesen. Drei hatten versucht, sich das Leben zu nehmen, 17 sich selbst verletzt. Zehn der Kinder sind jünger als sechs Jahre, das jüngste ist erst zwei. "Immer mehr dieser Kinder hören auf zu spielen, haben Alpträume und Angst, aus ihrem Zelt herauszugehen. Sie beginnen, sich aus dem Leben zurückzuziehen", berichtete Katrin Brubakk, Leiterin des psychologischen Programms auf Lesbos. "Einige von ihnen hören ganz auf zu reden. Um dauerhafte psychische Schäden zu vermeiden, müssen diese Kinder sofort aus dem Lager in Moria herausgebracht werden."

Vor kurzem hat die griechische Regierung knapp 1.500 schutzbedürftige Menschen von Lesbos aufs Festland gebracht. Doch mindestens 2.500 Geflüchtete, die offiziell als schutzbedürftig anerkannt wurden, seien noch immer auf der Insel, so Ärzte ohne Grenzen. Vermutlich Tausende weitere Schutzbedürftige seien offiziell noch nicht als solche anerkannt.

Ärzte ohne Grenzen fordert von der griechischen Regierung, der EU und ihren Mitgliedstaaten die Evakuierung von Kindern und anderen besonders Schutzbedürftigen in sichere und angemessene Unterkünfte auf dem griechischen Festland oder in anderen europäischen Staaten. Zudem seien mehr medizinisches Personal in den griechischen Aufnahmezentren und nachhaltige Mechanismen erforderlich, um die wiederkehrende Überbelegung der Inseln zu vermeiden.

Quelle: www.aerzte-ohne-grenzen.de 


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