mmKöln. - Ein Jahr nach der Machtübernahme der Taliban blickt medica mondiale mit Sorge auf die Situation von Frauenrechtsaktivistinnen und -aktivisten in Afghanistan. Die Bundesregierung hatte angekündigt, bedrohte Menschen zu evakuieren. Doch bisher sei viel zu wenig und zu langsam gehandelt worden, kritisiert medica mondiale. Immer noch säßen Tausende mit und ohne Aufnahmezusage in Afghanistan fest.

Nach dem Abzug der internationalen Truppen ist Afghanistan innerhalb kürzester Zeit das einzige Land auf der Welt geworden, in dem keine einzige Frau ein politisches oder administratives Amt innehat. Frauen ist es untersagt, sich politisch und an der Regierung zu beteiligen. Sie werden systematisch aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen, Mädchenschulen ab der 7. Klasse sind geschlossen. Die Taliban negieren im Aufbau ihres Staates die Existenz von Frauen.

"In Afghanistan sehen wir wie die Rechte von Frauen und Mädchen in allen Bereichen des Lebens beschnitten werden", erklärte Monika Hauser, Vorständin von medica mondiale. "Menschen, die sich gegen diese Herrschaft des Patriarchats stellen und in den letzten 20 Jahren für Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung und Sichtbarkeit von Frauen gekämpft haben, sind seit dem abrupten, bedingungslosen Abzug der internationalen Truppen, in ihrem Leben bedroht."

Auch die Kolleg:innen der afghanischen Partnerorganisation von medica mondiale mussten im August 2021 ihre Arbeit aus Sicherheitsgründen einstellen. Sie bekamen Droh-Anrufe und Todesdrohungen. Mittlerweile konnte medica mondiale vor allem dank zivilgesellschaftlicher Kooperationen, zum Beispiel mit "Kabul Luftbrücke", Kolleg:innen bei ihrer Evakuierung nach Deutschland unterstützen.

Mit großer Sorge blickt medica mondiale jedoch auf die sich weiter verschlechternde Situation von Frauenrechtsaktivist:innen, die noch im Land sind: "Sie werden bedroht, verfolgt und getötet. Familienangehörige werden unter Druck gesetzt und erpresst."

Seitdem die internationale Aufmerksamkeit vor allem auf den Angriffskrieg in der Ukraine gerichtet ist, gehen die Taliban mit einer neuen Welle der Repression gegen Aktivistinnen vor, so medica mondiale. "Wir erhalten immer noch fast täglich Nachrichten von ehemaligen Kolleg:innen, Verbündeten und anderen Aktivist:innen. Sie sind in ihrem Leben bedroht und müssen dringend das Land verlassen", so Hauser.

"Auch Frauenrechte wurden instrumentalisiert, um den NATO-Einsatz und das Engagement der internationalen Gemeinschaft zu legitimieren. Die Bundesregierung trägt auch nach Abzug der internationalen Truppen Verantwortung für die Sicherheit dieser Menschen. Sie hat auch die Arbeit unserer Kolleg:innen 20 Jahre lang unterstützt", sagte Hauser.

Der Ende letzten Jahres vom deutschen Außenministerium vorgestellte "Aktionsplan Afghanistan" sei zu großen Teilen noch nicht oder nur unzureichend umgesetzt. Zwar würden in dem Plan wichtige Maßnahmen zum Schutz von Frauenrechten und Aktivistinnen genannt. Die Umsetzung verlaufe jedoch schleppend. So gebe es für Aktivist:innen immer noch keine schnellen Ausreisemöglichkeiten. Hinzu komme, dass mittlerweile Taliban Ausreisebusse an der Grenze oder an Checkpoints nicht mehr passieren lassen.

"Es ist zu wenig, zu langsam passiert, während sich die Situation für Aktivist:innen immer weiter zuspitzt. Viele der im Aktionsplan angekündigten Maßnahmen kommen zu spät für gefährdete Menschen", kritisierte Hauser. "Auch wenn wir an einigen Stellen das Bemühen der Politik erkennen, reicht das nach 20 Jahren Militäreinsatz und einem katastrophalen Abzug nicht."

Medica mondiale wurde 1993 während des Bosnien-Kriegs gegründet und unterstützt seitdem lokale Frauenrechtsorganisationen in Kriegs- und Krisenregionen weltweit. 2021 musste die afghanische Partnerorganisation nach 20 Jahren geschlossen werden. Die rund 90 Mitarbeiter:innen und ihre engsten Familienangehörigen konnten nach Deutschland evakukiert werden.

Quelle: www.medicamondiale.org


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