Jean-Claude KibalaBerlin (epo.de). - "Ich habe nicht gewusst, was da auf mich zukommen würde", räumt Jean-Claude (N'Kolde) Kibala ein. Der aus der Demokratischen Repubik Kongo stammende Bauingenieur lebte fast 20 Jahre lang in Deutschland, ehe er vor zweieinhalb Jahren in seine Heimat Süd-Kivu im Ostkongo zurückging, um beim politischen Wiederaufbau seines durch zwölf Jahre Bürgerkrieg gebeutelten Landes mitzuhelfen. Jetzt ist er zu politischen Gesprächen in Berlin - als Vizegouverneur seiner Heimatprovinz. Und er ist auf der Suche nach seriösen Investoren. Denn der Rohstoffreichtum des Kongo ist zu einem Fluch geworden, der die Konflikte immer wieder anheizt.

"Unsere Probleme sind größer als unsere Möglichkeiten", sagt Kibala im Büro des Ökumenischen Netzwerks Zentralafrika (ÖNZ) in Berlin, einer kirchlich geförderten Einrichtung, die seine diplomatische Mission in seiner zweiten Heimat Deutschland logistisch unterstützt. "Ich bin wie aus einer anderen Welt gekommen!" Aber resigniert wirkt er nicht, sondern entschlossen, die Probleme nach Kräften anzupacken.

Nach vier Jahrzehnten Bürgerkrieg, die nach UN-Schätzungen mehr als vier Millionen Menschenleben gekostet haben, liegt der Kongo am Boden. Ethnisch getrennte Milizen beherrschen den an Ruanda angrenzenden Osten des Landes und finanzieren sich durch den illegalen Abbau von Rohstoffen, die sie außer Landes schmuggeln und an Unternehmen in Übersee verkaufen. Mindestens 800.000 Menschen gelten als intern Vertriebene, die selbst in Flüchtlingslagern nicht vor Übergriffen bewaffneter Banden sicher sind. Es fehlt an Nahrung, Infrastruktur, Bildung und an vielen anderen Dingen, an die sich Kibala gewöhnt hatte, als er mit seiner deutschen Frau und zwei Söhnen in Troisdorf lebte.

"Alle sind noch am Lernen, was Demokratie angeht", meint Kibala. Die Maßgabe, dass 40 Prozent des Steueraufkommens in der Provinz verbleiben sollen, "funktioniert noch nicht". 70 Prozent der Bevölkerung lebt in irgendeiner Form von der Ausbeutung der Mineralien, aber der Reichtum des Landes verschwindet in dunklen Kanälen. Wer mit dem illegalen Verkauf von Coltan oder Zinnerzen relativ viel Geld verdienen kann, begnügt sich nicht mit dem Sold eines einfachen Soldaten oder Polizisten oder dem Gehalt eines Lehrers - falls dieser Sold überhaupt ausbezahlt wird.

Die aktuellen Entwicklungen im Ostkongo nach der Verhaftung des Rebellengenerals Laurent Nkunda (epo.de berichete), die gemeinsame Militäraktion kongolesischer und ruandischer Truppen zur Entwaffnung der Hutu-Miliz FDLR und die Unterstützung der Flüchtlinge in den Provinzen Süd- und Nord-Kivu sind nur eine Seite der Medaille. "Der Kongo braucht eine langfristige Entwicklungspolitik, um nicht auf Dauer von ausländischer Hilfe abhängig zu bleiben", betont Kibala.

Dazu gehört eine Zertifizierung des Abbaus, der Weiterverarbeitung und eine Kontrolle des Verkaufs von Rohstoffen. Ein entsprechendes Projekt wird über die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) bereits vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt. Und dazu gehören seriöse Unternehmen, die in die Rohstoffgewinnung investieren - und die Kibala in Deutschland animieren will, über den gegenwärtigen Preisverfall auf den Weltmärkten im Zuge der globalen Finanzkrise hinaus zu denken. "Wenn heute ein Kilogramm Zinnerze 1,5 Dollar kostet, können es in einem Jahr drei Dollar sein", lockt Kibala mit einer 100prozentigen Gewinnmarge.

Kibala deutet an, dass seine Provinzregierung ihre Hausaufgaben machen und dem unregulierten Abbau von Mineralien ein Ende bereiten will. Denn gegenwärtig kann jeder eigenmächtig in der Erde nach Rohstoffschätzen graben - und muss es angesichts fehlender anderer Einkommensquellen häufig auch, um die Familie durchzubringen. Weil sich angesichts der Rohstoffkrise zu wenige Firmen engagieren, ist die Provinzregierung jetzt selbst in den Rohstoffhandel eingestiegen.

Doch Kibala hofft auf Hilfe aus seiner zweiten Heimat Deutschland, solange Süd-Kivu die Probleme nicht selbst in den Griff bekommen kann. Und derzeit sieht es nicht so aus. "Hier zeigen sich die negativen Folgen des über den Kongo verhängten internationalen Waffenembargos", sagte Kibala der Frankfurter Rundschau. "Wir dürfen nicht einmal eine Handfeuerwaffe im Ausland kaufen. Die Rebellen finanzieren hingegen mit den Mineralien aus unserem Land ihre Waffengeschäfte. Der Kongo kann sich allein nicht mehr aus dieser Situation befreien."

!989 war Kibala nach Deutschland gekommen, um als Offiziersanwärter eine Weiterbildung zu besuchen. Heute glaubt er nicht mehr, dass die kongolesische Armee allein in der Lage ist das Land zu befrieden. Die unterbezahlten Truppen sind häufig selbst durch Morde, Vergewaltigungen und Plünderungen zur Plage für die eigene Bevölkerung geworden. Die internationale Gemeinschaft müsse Druck auf Kongos Nachbarländer ausüben, um den Rebellen Rückzugsgebiete und Unterstützung zu nehmen, fordert er. "Sonst kann der Kongo nicht befriedet werden."

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