MilchglasBrüssel/Hamburg (epo.de).- Von allen Seiten hagelte es Kritik an den Plänen: Die Aufweichung und mögliche Abschaffung der Milchqoute stand auf der Tagesordnung der Brüssler Verhandlungen der 27 EU-Agrarminister zum „Gesundheitscheck“ der Agrarpolitik am 19. November. Die Milch-Verbraucher wollen laut einer Umfrage der Organisation Greenpeace zufolge etwas anderes: "eine umweltfreundliche und bedarfsgerechte Agrarpolitik". Eine große Mehrheit der Bundesbürger spricht sich demnach "für eine klimafreundliche europäische Landwirtschaftspolitik aus", so das Fazit der Organisation nach der Befragung von rund 1000 Bundesbürgern. Viele Bauern befürchten einen Preisverfall bei der Milch und  Agrarexperte Matthias Meißner vom World Wildlife Fund (WWF) erklärte mit Blick auf den Natur- und Klimaschutz: "Die Minister sind dabei, eine Milchmädchenrechnung aufzumachen".

Bis 20. November wollten die Minister die Einigung über eine schrittweise Liberalisierung des Milchmarkts bis 2015 geschafft haben. WWF-Agrarexperte Matthias Meißner zur Aufweichung der Milchquote: "Im Klartext heißt das: Höfe mit viel Grünland werden noch schneller dicht machen, während durchrationalisierte Ackerland-Betriebe sich weiter industrialisieren." Beides habe negative Konsequenzen für Bauern, die Umwelt und den Artenschutz. Auch der von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner geforderte Milchfonds, der die erwarteten Verluste für die Bauern ausgleichen soll, sei keine Lösung: „Weil in Brüssel kein Extra-Geld dafür da ist, sollen deutsche Bauern aus einem Budget entschädigt werden, das eigentlich für den Natur- und Klimaschutz bestimmt ist – das ist absurd“, kritisierte der WWF-Experte.

375.000 LANDWIRTE BETROFFEN

Die Weichenstellung für die künftige EU Agragpolitik betrifft 375.000 Landwirte in Deutschland und ihre Kollegen in den anderen EU-Staaten. Und das sind die Stichworte, um die es in Brüssel geht: Modulation, progressive Modulation, Milchfonds, Cross Compliance, erste Säule, zweite Säule. Konkret verbergen sich dahinter Weiden, Wiesen, Acker, Milch und Kühe. Der EU-Agraretat umfasst laut einem Bericht der neuen Osnabrücker Zeitung zum Thema derzeit 52 Milliarden Euro. Davon fließen im Moment bis zu 14 Prozent in die ländliche Entwicklung und rund 86 Prozent in die erste Säule der Direktbeihilfen für die Bauern.

Seit Mitte der 1980er Jahre gibt es die Milchquote in der EU. Sie regelt, wie viel ein Land an Milch produzieren darf. Berechnet wird diese Quote nach dem Verbrauch. Eingeführt wurde sie, weil damals der sogenannte "Milchsee" zu einem totalen Preisverfall in Europa führte. Im Auftrag von Greenpeace hat die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im November 2008 eine Umfrage unter 1.000 Bundesbürgern, also den Verbrauchern, durchgeführt. Drei Viertel der Befragten stimmten demnach einer Begrenzung der Milchproduktion zu, auch wenn dies zu höheren Preisen führe. "Für den subventionierten Export von überschüssigen Molkereiprodukten setzten sich dagegen nur ein Drittel der Befragten ein", so Greenpeace.

Unter einer  klimafreundlichen europäischen Landwirtschaftspolitik verstehen die Verbraucher laut der Studie "die Kürzung der Agrarsubventionen zugunsten von mehr Klima- und Umweltschutz (60,6 Prozent der Befragten). Außerdem solle die Milcherzeugung auf den Bedarf im Binnenmarkt begrenzt bleiben (75,5 Prozent)." Die Landwirtschaftsminister planten hingegen eine Erhöhung der Milchquoten um fünf Prozent, so die Greenpeace-Mitteilung. Nach Schätzungen der Organisation müssten dafür allein in Deutschland 200.000 Kühe mehr gehalten werden. Die Treibhausgasemissionen der Tiere würden rund einer Million Tonnen CO2 entsprechen, das entspricht dem Klimagas-Ausstoß vin einer halben Million Autos.

„Von einem Gesundheitscheck kann hier keine Rede sein“, sagte Martin Hofstetter,  Landwirtschaftsexperte von Greenpeace. „Die europäische Landwirtschaft leidet nicht unter Schnupfen, sie hängt am Subventionstropf auf der Intensivstation. Mit ihren Beschlüssen verschärfen die europäischen Agrarminister Umwelt- und Klimaprobleme und treiben gleichzeitig bäuerliche Betriebe in den Ruin. Den Verbrauchern liege eine gerechte Bezahlung der Milchbauern mehr am Herzen als die Exportinteressen der Molkereiindustrie“, ergänzte Hofstetter. „Trotzdem ruft der Milchindustrieverband nach neuen Exportsubventionen. Da es aber weder innerhalb noch außerhalb der EU eine zusätzliche Nachfrage nach  Milchprodukten gibt, füllen sich die Lager schon wieder mit Milchpulver und Butter.“

Greenpeace forderte die Agrarminister auf, die Milcherzeugung auf den tatsächlichen Bedarf zu  begrenzen und einen größeren Anteil der Fördermittel für Klimaschutzmaßnahmen zu verwenden. Durch eine Klimasteuer auf Stickstoffdünger, ein Verbot von Grünlandumbruch, eine Wiedervernässung von Moorböden und der Reduzierung der Fleisch- und Milcherzeugung könnte zudem rund die Hälfte der Klimagas-Emissionen aus der Landwirtschaft eingespart werden.

Abbildung: Ein Glas mit Milch, Quelle wikipedia

Weitere Berichte in epo

-> zu Milchpreisen

-> zur Situation in Togo
-> zu EU-Agrarsubventionen


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