medicoGaza. - Anlässlich der Sondersitzung des UN-Rates für Menschrechte zu Gaza am Mittwoch in Genf hat die Hilfsorganisation medico international von der Bundesregierung die Zustimmung zur Einrichtung einer unabhängigen Untersuchungskommission der Vereinten Nationen gefordert. Diese müsse den zahlreichen Hinweisen auf Verstöße gegen internationales Recht im Rahmen der Kämpfe zwischen Israel und bewaffneten Palästinensergruppen nachgehen, welche die israelischen medico-Partner Ärzte für Menschenrechte Israel (PHR-IL) und Adalah, sowie das Al Mezan Menschenrechtszentrum aus Gaza dokumentiert haben.

Laut PHR-IL wurden inzwischen mehr als 1000 Häuser im Gazastreifen komplett zerstört und weitere 18.500 durch Angriffe der israelischen Armee beschädigt. Mitarbeiter von Al Mezan haben 464 zerstörte Häuser vor Ort genauer untersucht und Nachbarn befragt. Bei zwei leerstehenden Häusern wurden Spuren militärischer Nutzung durch Hamas-Kämpfer festgestellt. Bei den restlichen Häusern handele es sich um Wohnhäuser ohne Spuren von Waffen oder anderer militärischer Ausrüstung.

Mahmoud Abu Rahma, Menschenrechtsanwalt bei Al Mezan in Gaza-Stadt berichtete: "Unsere Nachforschungen ergaben, dass es sich bei den Hunderten Toten zu fast 80 Prozent um Zivilisten handelt. Rund die Hälfte der Opfer starben in den Trümmern ihrer Häuser. Die Warnungen der israelischen Armee sind vollkommen unzureichend und inakzeptabel. Aber selbst wenn die Warnungen erfolgreich wären, verwandeln sich ein Wohnhaus oder seine Einwohner damit immer noch nicht in ein legitimes militärisches Ziel." Gemäß internationalem Recht hätten Angriffe, bei denen nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern unterschieden werden kann, zu unterbleiben, um zivile Opfer zu vermeiden.

In einem offenen Brief an den israelischen Generalstaatsanwalt führen PHR-IL und die Menschenrechtsorganisation Adalah zahlreiche Fälle unverhältnismäßiger Gewalt und Angriffe auf Zivilisten auf. Die Verstöße der Hamas gegen internationales Recht dürften nicht dazu führen, dass Israel es seinerseits ignoriere. "Es gibt keine sicheren Gebiete, in denen die Bewohner des Gazastreifens Schutz finden können. Die Militärs können also auch nicht behaupten, dass sie ausreichende Vorkehrungen getroffen hätten, um Schaden von der Zivilbevölkerung abzuwenden", sagte Ran Cohen vom medico-Partner Ärzte für Menschenrechte Israel.

Hassan Jabareen, Adalah-Geschäftsführer aus Haifa, ergänzte: "Aufgrund der siebenjährigen Blockade lebt ein großer Teil der Bevölkerung des Gazastreifens am Existenzminimum. Der Krieg macht alles noch schlimmer und führt zu einer humanitären Krise. Mehr als 100.000 Binnenvertriebene leben in Notunterkünften oder bei Verwandten. Über 1,2 Millionen Menschen haben keinen oder kaum Zugang zu Wasser oder sanitären Einrichtungen und 80 Prozent der Bevölkerung bekommt Strom nur vier Stunden pro Tag." Außerdem fehle es an Medikamenten und medizinischer Hilfe.

"Insbesondere die Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, Krankenhäuser, Rettungswagen, Sanitäter und Patienten sind besorgniserregend und stellen schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und die Genfer Konventionen dar", erklärte Riad Othman, medico-Büroleiter in Israel und Palästina.

In einem am 22. Juli in der Zeit veröffentlichten Interview hielt der Völkerrechtler Hans-Joachim Heintze die Angriffe auf Gaza wegen der vielen zivilen Opfer für unzulässig. Auch wenn Israel sich gegen die Hamas verteidigen dürfe. Die Süddeutsche Zeitung hatte berichtet, dass die UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay es für "höchst wahrscheinlich" hält, dass Israel mit seiner Offensive in Gaza Rechtsverletzungen begeht, die möglicherweise auf Kriegsverbrechen hinauslaufen könnten. Sie sagte, die Tötung von Zivilisten, insbesondere Kinder, bereite ihr Sorgen und werfe Fragen der Verhältnismäßigkeit auf. Sie verurteilte Berichten zufolge auch den "rücksichtslosen" Einsatz von Raketen und Granaten durch die Hamas gegen Israel.

Spätestens seit dem 20. Juli wurde in mehreren Medien über die hohen Opferzahlen auf Seiten der Palästinenser berichtet und schon zuvor hatten zahlreiche Hilfsorganisationen die katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen kritisiert.

Quelle: medico.de

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