Uganda: Adi Gerstl vom DED. Foto: DEDMadi Okollo (epo.de). - Als Adi Gerstl vom Deutschen Entwicklungsdienst (DED) und seine rechte Hand Stephen Lumumba im September 2003 in der Region Madi Okollo eintrafen, gab es dort fast nichts. Das Gebiet im Norden Ugandas war von der Regierung als neues Settlement-Gebiet ausgewiesenen worden. Zu Hunderten trafen auf Lastwagen der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR Süd-Sudanesen ein - Acholi, die bereits vor Jahren aus Eastern Equatoria geflohen waren. Der DED koordiniert Siedlungen mit rund 60.000 Flüchtlingen in Nord-Uganda. Ein Bericht von Erhard Brunn.

Die Flüchtlings-Siedlung Madi Okollo wurde eingerichtet, weil Lager in unmittelbarer Nähe der Grenze zum Süd-Sudan immer wieder von der mit der sudanesischen Regierung verbündeten Rebellenorganisation Lord's Resistance Army (LRA) angegriffen wurden. Viele Flüchtlinge wurden ermordet. Die Flüchtlinge mussten weiter weg von der Grenze untergebracht werden - auf weitgehend unbewohntem Land, wo von heute auf morgen 7.000 Menschen angesiedelt werden konnten. Das Hochplateau Madi Okollo bot wenig mehr als einen spärlichen Bewuchs vereinzelter Büsche und Bäume. Die letzten Einheimischen hatten die Region schon lange verlassen, da es an Trinkwasser und landwirtschaftlich nutzbaren Böden fehlte.

Das Trinkwasser für die Flüchlinge wurde aus dem nächsten Fluss gepumpt und gefiltert, die ersten Lebensmittel verteilt. Die riesigen blauen Plastikplanen des UN-Flüchtlingshilfswerkes UNHCR mussten vorerst als Dach über dem Kopf reichen. Gerstl und Lumumba mussten den Lebensunterhalt für 7000 Menschen in Madi Okollo planen und organisieren. Sie hatten jedoch weitere 50.000 Flüchtlinge in den älteren Settlements Rhino Camp und Imvepi zu betreuen - mehrere Fahrstunden von Madi Okollo entfernt.

Wasserpumpe f?r Fl?chtlinge in Uganda. Foto: BrunnNach einigen Monaten stand auch in Madi Okollo die Infrastruktur des Flüchtlingslagers - mit Schulen, Gesundheitszentren, Wasserbrunnen und -pumpen, den Ansiedlungen der Menschen mit Flächen für die Landwirtschaft. Hier wie in den anderen Siedlungen besteht die Hauptaufgabe darin, den Alltag zu organisieren und dabei eine möglichst hohe Selbstbeteiligung der rund 60.000 Flüchtlinge und rund 20.000 dazwischen siedelnden Einheimischen zustande zu bringen.

28 Primärschulen und mehrere weiterführende Schulen (letztere als Eigeninitiativen der Flüchtlinge), 10 Gesundheitsstationen und 100 Bohrlöcher und -pumpen gilt es instand zu halten, ebenso wie Hunderte Kilometer Straßen. Auch der Ressourcenschutz spielt eine große Rolle, strapazieren doch 60.000 Menschen die ohnehin ausgelaugte Natur erheblich. Große Teak-Wälder wurden angelegt, um der Bodenerosion entgegen zu wirken. 

"All dies ist natürlich nur in enger Kooperation von UNHCR, WFP, uns und den lokalen Behörden, bzw. dem Büro des Premierministers möglich, der direkt für Flüchtlinge zuständig ist," erklärt Adi Gerstl, dem es gelungen ist, sich einen legendären Ruf als Mittler zwischen vielen Interessengruppen zu erarbeiten. Schon 1993 hatten sich UNHCR und die ugandische Regierung für eine gemeinsame aktive Flüchtlingspolitik entschieden. Die 200.000 Süd-Sudanesen sollten die Übergangslager verlassen, angesiedelt werden, Land, Werkzeug und Saatgut erhalten und möglichst viel zu ihrer eigenen Ernährung beitragen.

Self-Reliance wurde mehr und mehr zum Ziel. Nicht nur der kurzfristige Nutzen der Flüchtlinge, sondern auch die langfristigen Interessen der Gemeinden vor Ort sollten Berücksichtigung finden. So wird der Selbstbeteiligung, vor allem der Flüchtlinge, z.B. an der Wartung und der sachgemässen täglichen Nutzung der vielen Pumpen und Wasserstellen hohe Bedeutung beigemessen. Jeder Service steht aber auch den Einheimischen offen. Und die Qualität von Schulen und Gesundheitszentren im Siedlungsgebiet ist meist deutlich über der der Einrichtungen außerhalb.

Die aufgebaute Infrastruktur soll von den Einheimischen genutzt werden können, wenn die Flüchtlinge gehen. In den älteren Siedlungen Rhino Camp und Imvepi erhielten die Distrikte daher schon im Jahr 2000 die Kontrolle über Grundschulen und Gesundheitsstationen. Der DED ist nur noch für die bauliche Erhaltung verantwortlich.

"Im Falle von Madi Okollo haben wir als erstes den Distrikt gefragt, wo er die Gesundheitsstation hinhaben will, damit sie ihnen langfristig am meisten nutzen kann. Diese direkte Kommunikation und unbürokratische Kooperation wird von den hiesigen Verwaltungsbeamten auf allen Ebenen, aber auch bis hoch ins Büro des Premierministers, außerordentlich geschätzt", sagt R. M. Wafula, im Büro des Premierministers Progamm-Koordinator für Flüchtlingsfragen. "Der DED hat eine Schlüsselrolle darin gespielt, in Zusammenarbeit mit den Lokalbehörden den Wechsel von Nothilfe zu Entwicklungspolitik im Westnilgebiet zu bewerkstelligen. Er hat sich wundervoll in die lokalen Strukturen eingepasst."

Adi Gerstl. Foto: DED
Adi Gerstl. Foto: DED

Der DED hatte im Arua Refugee Programme zeitweise 560 Mitarbeiter unter Vertrag, meist bezahlt vom UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge. Die jahrelange Erfahrung des DED im Grenzbereich von Nothilfe und Entwicklungszusammenarbeit soll in Zukunft in Uganda vor allem bei der Wiederansiedelung von mehr als zwei Millionen intern Vertriebenen genutzt werden. Sie waren im eigenen Land vor der LRA auf der Flucht.

Das Arua Refugee Settlement Programme und die Erfahrung von Adi Gerstl haben sich herumgesprochen. Eine Delegation von Bundestagsabgeordneten war bereits auf Besuch und ebenso wie andere Gäste überrascht von der Größe des Programms und der Vielfalt von Aktivitäten, die damit zusammenhängen.

Die meisten Flüchtlinge wissen, dass sie zurzeit noch auf ugandischer Seite der Grenze besser versorgt sind als im von 20 Jahre Krieg zerstörten Süd-Sudan. Oft geht deshalb nur ein Mann pro Familie vor, klärt vor Ort die Lage und startet mit Hausbau und Suche nach Arbeit, während die Familie weiter in Uganda bleibt. Vor allem die schlechte Schulsituation wird von den Flüchtlingen häufig als Argument vorgebracht, die Rückkehr in den Süd-Sudan aufzuschieben.

Gerstl sieht darin auch ein Kompliment für die gute Arbeit in Nord-Uganda. Viele Geschäftsleute unter den Flüchtlingen, die erst kleine, dann immer größere Aufträge für den DED im Siedlungsgebiet ausführten, sind inzwischen aber zurück im Süd-Sudan, um die Anfangsphase nicht zu verpassen, wenn die Aufträge für den Wiederaufbau verteilt werden. "Und meines Wissens sind viele der großen Aufträge dort bereits an Leute gegangen, von denen bekannt ist, dass sie sich hier bei uns bewährt haben", sagt Adi Gerstl.

Erhard Brunn


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