WBKöln (epo.de). - Die Weltbank hat zu Beginn ihrer gemeinsamen Herbsttagung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington den Weltentwicklungsbericht zum Thema "Landwirtschaft und Entwicklung" vorgestellt. In einem gemeinsamen Kommentar begrüßen sieben deutsche Nichtregierungs-Organisationen (NRO) zwar die neue Aufmerksamkeit für die Landwirtschaft. Sie bewerten die Weltbankempfehlungen aber als ungeeignet, Armut zu bekämpfen und das Menschenrecht auf Nahrung zu gewährleisten.

"Die 'Neue Landwirtschaft' der Weltbank ist eine Landwirtschaft ohne Kleinbauern", erklärte Roman Herre, Agrarreferent von FIAN Deutschland. "Der Weltentwicklungsbericht recycelt die altbekannten Rezepte der Liberalisierung, Gentechnik und Exportsteigerung. Den Kleinbauern, die durch diese Politik marginalisiert werden, erweist die Weltbank damit einen Bärendienst. Diese machen die Hälfte aller Hungernden aus und müssten eigentlich erste Zielgruppe der Landwirtschaftsförderung sein."

Zu Recht fordere die Weltbank für Arme zunächst einen verbesserten Zugang zu Ressourcen wie Land, Wasser, Krediten und Bildung, so Roman Herre. "Die Konzepte der Weltbank werden aber das Gegenteil bewirken." So empfehle die Bank sichere Bodeneigentumsrechte sowie liberalisierte Boden- und Bodenpachtmärkte, "um das Land an die produktivsten Nutzer zu übertragen, die Teilhabe im nicht landwirtschaftlichen Sektor auf dem Land sowie die Migration aus der Landwirtschaft zu ermöglichen".

"Faktisch sind die produktivsten Nutzer jedoch selten die Ärmsten. Übertragbare Landtitel erhöhen die Gefahr, dass Kleinbauern durch dynamische Exportbetriebe oder Bergbaukonzerne verdrängt werden", sagte Herre. "Diese Gefahr ist durch den derzeitigen Boom der Soja-, Zucker-, Raps- und Palmölproduktion für Agrartreibstoffe akuter denn je".

Als Ergebnis der Doha-Runde der Welthandelsorganisation WTO hoffe die Weltbank auf möglichst radikale Zollsenkungen. Ausnahmeregelungen für Entwicklungsländer wolle sie nur sehr begrenzt gelten lassen. "Die Vorschläge erinnern an jene der US-Regierung, für die Weltbankpräsident Robert Zoellick zuvor als Handelsminister gearbeitet hat", so Armin Paasch, Handelsreferent von FIAN Deutschland.

Jüngste Fallstudien von Brot für die Welt und FIAN zeigten, dass die Liberalisierung des Reissektors in Ghana, Honduras und Indonesien wesentlich zu Verletzungen des Menschenrechts auf Nahrung von Reisbauern beigetragen habe. Diese seien durch Billigimporte von ihren lokalen Märkten verdrängt worden und nicht mehr in der Lage, sich angemessen zu ernähren. "Die Weltbank und der IWF tragen in allen drei Ländern eine zentrale Mitschuld", erklärte Paasch. "Ihre wirtschaftspolitischen Kreditauflagen haben zur Marktöffnung geführt und zur Steigerung der schädlichen Billigimporte beigetragen."  

Vor diesem Hintergrund fordert FIAN, dass IWF und Weltbank vor den Menschenrechtsgremien der UNO regelmäßig Rechenschaft ablegen müssen. "Auf der Herbsttagung sollte Ministerin Wieczorek-Zeul deutlich machen, dass IWF und Weltbank keinen Freibrief für Menschenrechstverletzungen besitzen", so Armin Paasch. "Die Bundesregierung sollte auch ihre Beiträge an den Weltbankarm International Development Association (IDA) an die Bedingung knüpfen, dass die Weltbank bei der Kreditvergabe den Entwicklungsländern keinerlei wirtschaftspolitische Auflagen macht, die zu Verletzungen des Menschenrechts auf Nahrung führen könnten." Die Verhandlungen zur "Wiederauffüllung" der IDA-Fonds laufen gerade und könnten als Hebel für Veränderungen genutzt werden.

KEIN VERSTÄNDNIS FÜR KLEINBAUERN

"Armut soll dadurch reduziert werden, dass das Wirtschaftswachstum auch zu mittellosen Kleinbauern durchsickert. Für diejenigen Bauerngruppen, die mit der Modernisierung nicht mitkommen, gibt die Weltbank keine Empfehlungen ab", kritisierte der EED-Beauftragte für Welternährungsfragen, Rudolf Buntzel. "Der Weltentwicklungsbericht geht damit an der Problematik der Armutsbekämpfung auf dem Lande vorbei - obwohl er den Anspruch hat, sie zu beseitigen".

Zwei Drittel der Armen lebten im ländlichen Raum und müssten in der Landwirtschaft ihr Überleben sichern, so der EED. Der Weltentwicklungsbericht zeige wenig Verständnis für diese Kleinbauern. Wer es nicht schaffe, sich in die internationalen Wertschöpfungsketten einzugliedern, müsse sich in der Stadt Arbeit suchen - hierin sehen die NRO die zentrale Botschaft des Berichts.

"Für eine kleine Minderheit von Landwirten, die beste Voraussetzungen für eine moderne Betriebsentwicklung haben, mag der Weg des Unternehmertums ein Ausweg sein. Einem Großteil der ländlichen Armen aber fehlt es an Bildung, Zugang zu Land, Kapital und Marktchancen", meint Buntzel.

Der EED habe in seiner Projektarbeit die Erfahrung gemacht, dass die Landbevölkerung dabei unterstützt werden muss, ihre Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen, erklärte die Organisation in Bonn. Es zeige sich immer wieder, dass Investitionen in die menschliche Entwicklung - Gesundheit, Ernährung, soziale Absicherung, Bildung und standortgerechte Landwirtschaft - der beste Weg aus der Armut seien. Die Weltbank dagegen spreche sich für einen rein wirtschaftlichen Modernisierungsansatz aus.

"Die Politikempfehlungen der Weltbank sind ungeeignet, um Armut und Hunger in ländlichen Regionen der Entwicklungsländer zu überwinden", erklärte Danuta Sacher, Leiterin der Abteilung Politik und Kampagnen bei der evangelischen Hilfsorganisation "Brot für die Welt". In dem Bericht werde weiterhin für eine "Revolution der Produktivität" durch grüne Gentechnik, wirtschaftliches Wachstum, Liberalisierung des Außenhandels, Kommerzialisierung und Exportsteigerung plädiert, so Sacher. Die Bedeutung lokaler und regionaler Märkte für eine wirkungsvolle Armuts- und Hungerbekämpfung finde viel zu wenig Berücksichtigung. Dabei sei der afrikanische Binnenmarkt für Nahrungsmittel rund sechs mal größer als die bisherigen landwirtschaftlichen Exporte Afrikas.

"Der Weltbank fehlt das Verständnis für die menschliche Dimension ländlicher Entwicklung, für die Anliegen der Kleinbauern, die Selbstversorger sind, für die Rechte und Lage der Landarbeiter und für die Kultur der dörflichen Gemeinschaften", erläutert Bernhard Walter, Landwirtschaftsexperte bei "Brot für die Welt". Fast die Hälfte der 5,5 Milliarden Menschen in den Entwicklungsländern lebten von der Landwirtschaft, trotzdem fehle unter anderem eine ländliche Entwicklungsstrategie, die zugleich Bildungs- und Gesundheitssysteme, Infrastruktur, Arbeitsmärkte, den landwirtschaftlich-technischen Fortschritt und Landreformen in Blick nimmt.

"Es ist wichtig, dass Kleinbäuerinnen und -bauern in Entwicklungsländern stärker gefördert werden. Der größte Teil der Bevölkerung in den ärmsten Ländern lebt vom Agrarsektor", sagte Marita Wiggerthale, Handelsreferentin bei Oxfam Deutschland. "Die Weltbank muss einen Kurswechsel vornehmen. Die bisherige, einseitige Export- und Wachstumsorientierung der Weltbank sowie die forcierte Liberalisierung des Agrarsektors haben in der Vergangenheit die Armut im ländlichen Raum sogar verschärft." Es gelte, die alten Politikrezepte auf den Prüfstand zu stellen und künftige Maßnamen gezielt auf die Bedürfnisse von Kleinbäuerinnen und -bauern auszurichten.

Die weltweite Entwicklungshilfe für den Agrarsektor ist nach Angaben der OECD von 11,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 1987 auf 3,9 Milliarden US-Dollar gefallen. Die Kredite der Weltbank für Landwirtschaft beliefen sich in 2006 nur auf sieben Prozent der gesamten Kreditleistungen der Weltbank. Das entspricht 1,75 Milliarden US-Dollar. Im Jahr 1982 waren es noch 30 Prozent. Auch die größten Geberländer haben ihre Entwicklungszusammenarbeit für den Agrarsektor in den vergangenen 20 Jahren deutlich verringert. So gab Deutschland 1996 noch 588 Millionen US-Dollar Entwicklungshilfe für die Landwirtschaft in armen Ländern. Der Betrag sank auf einen Tiefststand von 136 Millionen US-Dollar im Jahr 2000 und erreichte 2005 wieder eine Höhe von 211 Millionen US-Dollar.

Den Kommentar zum Weltentwicklungsbericht unterstützen FIAN, die Deutsche Welthungerhilfe, der Evangelische Entwicklungsdienst, Misereor, Brot für die Welt, Germanwatch und Oxfam Deutschland.

www.fian.de
www.eed.de
www.brot-fuer-die-welt.de
www.oxfam.de
www.worldbank.org


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