G20 Gipfel Berlin (epo.de). - Während das Ergebnis des Weltfinanzgipfels der 20 reichsten Industrienationen am Wochenende von den Regierungen der beteiligten G20-Länder begrüßt worden ist, mehren sich die kritischen Stimmen, die eine grundlegende Korrektur der Ursachen der Finanzkrise vermissen. Der Internationale Währungsfonds (IWF), dessen Rolle gestärkt werden soll, rief bereits nach einer kräftigen Finanzspritze, um in krisengeschwächten Staaten intervenieren zu können. Globalisierungskritische Organisationen wie Attac nannten den in Washington erzielten Kompromiss "völlig unzureichend".
Der Managing Director des IWF, Dominique Strauss-Kahn, sagte dem britschen Sender BBC, der Fonds benötige im nächsten halben Jahr mindestens 100 Milliarden US-Dollar zusätzlich, um eine stärkere Rolle bei der Bekämpfung der weltweiten Rezession spielen zu können.

Zum Ergebnis des Weltfinanzgipfels am Samstag in Washington sagte Strauss-Kahn, er sei "very pleased about the G-20 leaders' strong support for the important role of the Fund in crisis management and the reform of the international financial architecture. In addition to helping some member countries that are facing difficult circumstances with rapid and effective support, we have also created a new short-term liquidity facility and continue to review our instruments and facilities."

Massive Kritik am G20-Finanzgipfel übte das globalisierungskritische Netzwerk Attac. “Der Kern einer neuen Weltwirtschaftsordnung muss die Beseitigung der globalen ökonomischen Unterschiede und der sozialen Ungleichheit sein”, sagte Alexis Passadakis vom Attac-Koordinierungskreis. “Die nun angedachten neuen Regeln deuten an, dass es den G20 vor allem um Kosmetik geht.”

DER IWF IST WIEDER IM GESCHÄFT

Erlassjahr.de-Koordinator Jürgen Kaiser wertete in einer Analyse der von den G20 verabschiedeten Erklärung und des Aktionsplans die generelle Tendenz des Gipfels so: "Lange Überfällige technische Hausaufgaben bei der Beaufsichtigung der Märkte, aber keine politischen Fortschritte für die ärmeren Länder". Die im Aktionsplan angedachte "Reform der Internationalen Finanzinstitutionen" falle besonders enttäuschend aus.

"Zwei Leitprinzipien", so Kaiser, "kennzeichnen den Prozess an diesem Punkt: Es werden keine neuen Institutionen – etwas aus dem alle Staaten umfassenden UNO-System heraus – geschaffen. Vielmehr werden die existierenden nach dem Prinzip 'one dollar – one vote' funktionierenden Institutionen für weitere Akteure geöffnet. Dabei geht es einerseits um die lange diskutierte Stimmrechtsreform im IWF, durch die wichtige Schwellenländer der G20 besser eingebunden werden sollen; zum anderen um ein erweitertes 'Financial Stability Forum', in dem bislang Finanzminister und Zentralbanken aus dem G8-Ländern, einigen weiteren Industrieländern und wenigen Schwellenländern zusammenarbeiten."

Einige der technischen Reformprozesse könnten sich für Schwellen- und Entwicklungsländer als nützlich erweisen, analysierte Kaiser. "Auch, wenn die offenbar auf starke Initiative der Deutschen beschlossenen erweiterten Kooperationen im Steuerbereich in erster Linie auf verbesserte Einnahmen in den Industrieländern zielen, kann eine stärkere globale Kooperation im Steuerbereich auch für ärmere Länder zu einer Erhöhung der fiskalischen Spielräume führen, die dringend geboten ist."

Die schlechteste Nachricht aus Washington ist für Kaiser: "Der IWF ist wieder im Geschäft. Wer mehr Regulierung will, braucht dazu internationale Institutionen. Und auch, zunächst mal zu schauen, was schon da ist, bevor man neue Institutionen schafft, ist nicht falsch. Den IWF in seiner Rolle als Oberaufseher und Implementierungsinstitution zu stärken, kommt allerdings der Rückkehr von Skandal-Schiedsrichter Hoyzer in die Bundesliga-Stadien gleich. Der Fonds hatte aus seiner fatalen Doppelrolle als Gläubiger einerseits und Gutachter/Aufsichtsgremium andererseits in der Vergangenheit von ihm abhängige  Volkswirtschaften in die Rezession bzw. den Staatsbankrott getrieben. Indonesien 1997, Argentinien 1999-2001 und viele unspektakuläre kleine Volkswirtschaften in Afrika sind bis heute von Rezepturen des Fonds traumatisiert. In den Boomjahren 2002-2007 haben sich zahlreiche Regierungen aus der Bevormundung des IWF gelöst und ihren Völkern lautstark geschworen, nie mehr nach der Pfeife dieses Schiedsrichters zu tanzen."

PR-SHOW DER REGIERENDEN

"Der Gipfel diente als PR-Show der Regierenden und hat nichts von dem gehalten, was zuvor versprochen wurde", kommentierte Axel Troost, Mitglied im Parteivorstand und finanzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, den G20 Finanzgipfel. "Das nun verkündete und bereits vor Gipfelbeginn vereinbarte Fazit ist trivial und nichts sagend: 'Alle Marktteilnehmer, alle Produkte und alle Märkte würden künftig überwacht und kontrolliert'. Wer’s glaubt, wird selig."

BRETTON WOODS II?

Anlässlich der Europäischen Entwicklungstage, die zeitgleich mit dem G20-Gipfel in Straßburg (Frankreich) stattfanden, erklärte der europäische Kommissar für Entwicklung und humanitäre Hilfe Louis Michel: "Die Armutskrise ist die weltweit dringlichste Aufgabe. Der Washingtoner Gipfel Bretton Woods II bietet uns die einmalige Chance, dem neuen internationalen Finanzgefüge eine entwicklungspolitische Dimension zu verleihen. Es ist nun an der Zeit, dass das Finanzsystem seiner Aufgabe gerecht wird und dazu beiträgt, Millionen von Menschen aus der Armut zu befreien. Während der drei Diskussionstage, die in Straßburg im Rahmen der Europäischen Entwicklungstage stattfinden, werden zahlreiche Vorschläge präsentiert werden. In Europa werden die Verantwortungsträger der Länder des Südens beim Gipfel vom 15.-17. November zweifellos offene Ohren finden. Aber auch die G20 müssen die Armutsbekämpfung zu einem ihrer wichtigsten Anliegen machen."

-> Erklärung von Washington (G20)

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