doha logoBerlin (epo.de). - Der Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) wächst im Jahr 2009 um rund zwölf Prozent auf 5,8 Milliarden Euro. Insbesondere die Mittel für Afrika und für die Bekämpfung von Aids und Malaria würden im kommenden Jahr deutlich erhöht, sagte Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul am Mittwoch in der Bundestagsdebatte über den Etat ihres Ministeriums. Wieczorek-Zeul reist am Freitag zur Konferenz über Entwicklungsfinanzierung nach Doha. Ob die Konferenz ein greifbares Ergebnis für die Länder des Südens haben wird, ist mehr als zweifelhaft. Die Ministerin räumt ein, dass gut 25 Prozent der Textpassagen, über die verhandelt wird, noch umstritten sind.

Wieczorek-Zeul sagte in der Bundestagsdebatte, sie begrüße den Beschluss der Europäischen Union, infolge gestiegener Nahrungsmittelpreise eine Milliarde Euro zur Bekämpfung des Hungers in den ländlichen Regionen der ärmsten Länder der Welt zur Verfügung zu stellen. "Ich freue mich, dass Europa damit ein weltweit beachtetes Zeichen gegeben hat und dass hungernde Menschen unsere Solidarität erfahren", sagte die Ministerin.

"Besonders wichtig ist mir die ländliche Entwicklung und Ernährungssicherung. Hier haben wir eine Steigerung um 40% im Bereich Nothilfe", erklärte Wieczorek-Zeul im Hinblick auf den BMZ-Etat 2009. "Wir haben die Wiederauffüllung des Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) um 75% auf bis zu 47,5 Mio. € gesteigert."

WELTWEITE WIRTSCHAFTSKRISE

Die globale Finanzkrise, die Ernährungskrise und die Auswirkungen des Klimawandels summierten sich zu einer "weltweiten Wirtschaftskrise", warnte Wieczorek-Zeul. Die  Entwicklungsländer drohten "in eine schwere humanitäre Krise abzugleiten". "Die Finanzmarktkrise, die in den USA ihren Ausgang genommen hat, hat schon jetzt 40 Millionen Menschen weltweit mehr in die Armut getrieben. Jeder Prozentpunkt weniger Wachstum bedeutet 20 Millionen mehr Arme. Die Kanzlerin, und dafür bin ich ihr dankbar, hat es aber heute morgen betont: Es ist in unserem ureigensten Interesse, dass Entwicklungsländer und Schwellenländer nicht tiefer in die Rezession geraten, denn sie sind bisher die Wachstumsmotoren der Weltwirtschaft gewesen."

Wieczorek-Zeul forderte einen "Global New Deal für das 21. Jahrhundert", der auf ein "kooperatives Weltmodell" setze. Auf der Konferenz "Financing for Development" in der katarischen Hauptstadt Doha wolle sie für "starke, zuverlässige, internationale Governance-Strukturen" werben. "Die Entwicklungsländer müssen wirkliche Mitsprache haben", sagte die Ministerin. "Afrika braucht seinen festen Platz im Kreise der G20 und nicht am Nebentisch."

Die Zivilgesellschaft müsse diesen "Global New Deal" mitgestalten. Es sei aber auch notwendig, "massiv in die Landwirtschaft, in den Klimaschutz, in die Anpassung an den Klimawandel und in Erneuerbare Energien ebenso wie in die Infrastruktur in Entwicklungsländern zu investieren". Deutschland werde deshalb den Infrastrukturfonds der Weltbank mitfinanzieren.

"Wir dürfen keinen Kasino-Kapitalismus mehr zulassen", warnte Wieczorek-Zeul. "Wir müssen zuverlässige Regeln für die globalen Finanzmärkte schaffen. Weltbank und IWF müssen zu soliden Stabilitätsankern werden."

"SCHWIERIGE ARBEIT" IN DOHA

"Wir machen uns in Doha in schwierigen Zeiten an eine schwierige Arbeit", sagte die Ministerin weiter. "Ich zähle die Konferenz zu den wichtigsten seit der Millenniumserklärung 2000." Deutschland stehe, wie auch Kanzlerin Angela Merkel versichtert habe, zu den Zusagen zur Steigerung der Mittel für die öffentliche Entwicklungshilfe (ODA). Die EU-Beschlüsse hierzu sehen vor, die ODA-Mittel bis 2010 auf 0,51 Prozent und bis 2015 auf 0,7% des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen. Die OECD-Staaten hatten ihre Verpflichtungen am Mittwoch erneut bekräfltigt.

In einem Hintergrundgespräch zur Doha-Konferenz hatte Heidemarie Wieczorek-Zeul allerdings eingeräumt, "mindestens 25 Prozent der Texte", die in Doha verhandelt werden, seien auch nach wochenlangen Beratungen im UN-Hauptquartier in New York "noch ohne Konsens". "Der große Vorteil ist, dass sie stattfindet", bemerkte die Ministerin.

Nach BMZ-Angaben haben sich zur Doha-Konferenz offizielle Delegationen aus 124 Ländern angemeldet. 47 Regierungschefs vor allem aus Ländern des Südens werden teilnehmen. Es wird mit mehr als 3000 Teilnehmern gerechnet. Registriert sind laut BMZ auch 372 nichtstaatliche Organisationen und Lobby-Gruppen.

IWF- UND WELTBANK-CHEFS GLÄNZEN DURCH ABWESENHEIT

Nach einem Bericht der Washington Post werden Weltbank-Präsident Robert B. Zoellick und IWF-Generaldirektor Dominique Strauss-Kahn nicht an der Konferenz teilnehmen, "upsetting an effort to secure high-level attendance at a meeting aimed at goading the beleaguered financial giants into stepping up aid." Die Delegation der USA wird von der Direktorin der US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID) geleitet - auch das ein Affront gegenüber UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der auf eine möglichst hochrangige Vertretung der Geberländer und -organisationen gedrängt hatte:
"Some top U.N. officials were visibly infuriated by what they viewed as a snub of Secretary General Ban Ki-moon. One official accused Zoellick of trying to ensure that the major decisions on the financial crisis would be made by the less unwieldy Group of 20 nations, which met in Washington on Nov. 15 to try to coordinate international response to the meltdown. 'It's fair to say that the secretary general was very disappointed and doesn't understand completely' why they will not be attending, the official said."
Die USAID-Ankündigung der Doha-Konferenz hebt denn auch vor allem auf die Leistungen ab, die die Entwicklungsländer selbst erbringen sollen: "increased partner country ownership", "good governance and private sector-led growth":
"At the upcoming Doha Financing for Development International Conference, the United States seeks to reinvigorate the international community's commitment to good governance as a critical ingredient to economic growth. Since 2002, the United States has sought to build on the firm foundations for development established in Monterrey to improve aid effectiveness by embracing the Paris Declaration and Accra Action Agenda that supports increased partner country ownership and a strategic approach to development - tied to verifiable results - as a precondition of any increases in donor contributions."

"The United States approaches the Doha Conference firm in its support for the new beginning for international development assistance that Monterrey inaugurated in 2002. It believes that foreign assistance can play a catalytic role in advancing development by promoting good governance and private sector-led growth. It also believes assistance should be tied to measurable results in order to maximize aid effectiveness and sustain public commitments from donors and partner nations alike."

OXFAM: ZUSAGEN EINHALTEN

Oxfam forderte die Regierungen der reichen Länder am Donnerstag dazu auf, ihre Zusage, 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen, einzuhalten. Zugleich müssten die Entwicklungsländer mehr dafür tun, inländische Ressourcen zu mobilisieren.

"Die Vertreter der über 180 teilnehmenden Staaten müssen die Frage beantworten, wie die armen Länder angesichts der aktuellen Krisen ihre Entwicklung voranbringen können. Deshalb ist die Doha-Konferenz wahrscheinlich eine der wichtigsten seit der Konferenz in Monterrey 2002", sagte Reinhard Hermle, entwicklungspolitischer Berater bei Oxfam Deutschland. "Die Entwicklungsländer müssen derzeit die verheerenden Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise bewältigen und sich an den Klimawandel anpassen. Hierfür benötigen sie verstärkt die Unterstützung der Geberländer. Allerdings müssen auch die Regierungen armer Länder ihre Bemühungen steigern, heimische Gelder für die Bekämpfung der Armut zu mobilisieren. Dazu ist es erforderlich, die öffentlichen Finanzverwaltungen zu verbessern sowie effiziente und transparente Steuersysteme aus- und aufzubauen."

BEKENNTNIS ZUM 0,7%-ZIEL

"Durch die Finanzkrise darf die Bekämpfung von Klimakatastrophe, Hunger und Armut nicht ins Abseits geraten", forderten Thilo Hoppe und Ute Koczy von der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen am Donnerstag in Berlin. "Es ist ein falsches Signal, dass sowohl der Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn und der Chef der Weltbank, Robert Zoellick, ihre Teilnahme an der UN-Konferenz 'aus Termingründen' abgesagt haben.

In Doha müsse ein klares Bekenntnis zur Erhöhung der offiziellen Entwicklungszusammenarbeit (ODA) bis 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens erfolgen, so die Grünen-Politiker. "Dazu brauchen wir neben steigenden Budgetmitteln innovative Finanzierungsinstrumente, wie eine Flugticketabgabe und eine Devisentransaktionssteuer."

Überfällig sei auch eine internationale Initiative für Finanztransparenz und gegen Kapitalflucht und Steuervermeidung. "Durch sie gehen den Entwicklungsländern schätzungsweise rund 500 Milliarden US-Dollar jährlich verloren. Das ist das Fünffache der offiziellen Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit."

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