busan_iconBonn. - Zum Auftakt des Gipfels zur Wirksamkeit der Entwicklungshilfe im koreanischen Busan haben nichtstaatliche Organisationen die Bundesregierung aufgefordert, sich für ein verbindliches Rahmenwerk für Armutsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung einzusetzen. Eine bessere Wirksamkeit von Entwicklungshilfe dürfe dabei aber nicht mit dem Erreichen kurzfristiger wirtschaftlicher Ziele verwechselt werden.

"In Busan müssen die Regierungschefs endlich ihre Hausaufgaben machen, die in der Pariser Erklärung und dem Aktionsplan von Accra noch nicht umgesetzt worden sind", sagte Prof. Christa Randzio-Plath, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Verbandes Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO). Eine Evaluierung der Erfolge im Bereich der Wirksamkeit von Entwicklungszusammenarbeit habe deutlich gezeigt, dass die Staatengemeinschaft weit hinter ihren Zusagen von Paris und Accra zurückliege. Das gelte insbesondere für die Ziele, deren Umsetzung in der Verantwortung der Geber liegt.

"Der fehlende Einsatz der Regierungen für wirksame Entwicklung darf in Busan nicht zu einer Abschwächung der Zielformulierung oder einer Schwächung der Entwicklungsfinanzierung führen. Auf dem Gipfel müssen ehrgeizige Verpflichtungen und konkrete Zeitrahmen verabschiedet werden", betonte Randzio-Plath.

Angesichts von über einer Milliarde Menschen weltweit, die nach wie vor von extremer Armut und Hunger betroffen sind, müsse der Busan-Gipfel außerdem die Ursachen in den Blick nehmen, so VENRO. Das beinhaltet aus Sicht des Verbandes eine kohärente Ausrichtung aller Politikbereiche an den Zielen von Entwicklung ebenso wie die konsequente Durchsetzung der Menschenrechte und die Beteiligung der Zivilgesellschaft. Zudem müsse die Landwirtschaft stärker gefördert werden.

Die Bundesregierung hat sich im Abstimmungsprozess zum Gipfel ausdrücklich für die Themenfelder Privatwirtschaft, Arbeitsteilung und Ergebnisorientierung eingesetzt. VENRO begrüßte, dass die Bundesregierung Ergebnissen von Entwicklungsmaßnahmen einen höheren Stellenwert einräumen will. Kurzfristige Ergebnisse dürften jedoch nicht gegenüber langfristig nachhaltigen Entwicklungswirkungen ausgespielt werden. "Auch die Zivilgesellschaft orientiert sich an den Zielen einer wirksamen Entwicklungszusammenarbeit", so Randzio-Plath, und setze sich für nachhaltige Lösungen ein.

Der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) mahnte, Entwicklung nicht als Wirtschaftswachstum zu verstehen. "Wirtschaftwachstum allein reicht nicht für Armutsbekämpfung", sagte EED-Vorstand Claudia Warning. "Die hohen Wachstumszahlen in Afrika, Asien und Lateinamerika in den letzten Jahren haben nicht automatisch zu weniger Armut geführt. Entwicklungspolitik muss sich dieser Herausforderung stellen."

Der EED sehe mit Sorge, dass in Busan darüber diskutiert werden solle, mit Entwicklungszusammenarbeit vorrangig kurzfristige, wirtschaftliche Ziele zu erreichen. Der Fokus der Entwicklungshilfe sei dann nicht mehr Armutsbekämpfung, sondern die Förderung des Wirtschaftswachstums. "China und Indien zeigen uns: Wachstum alleine schafft Armut und Hunger nicht ab. Die neue Mittelschicht und die Oberschicht einer Gesellschaft profitieren, die Armen fallen durch dieses Raster", so Warning. Es gehe darum, gut verteiltes Wachstum mit der geringstmöglichen Ressourcennutzung zu verbinden.

Regierungen der neuen Geberländer Asiens verstärkten diesen Trend nach direkt greifbaren Ergebnissen. "Wir fürchten, die Tagung in Südkorea stellt die Idee der Entwicklungshilfe von den Füssen auf den Kopf", so Claudia Warning. "Bei aller berechtigten Ungeduld über die Langsamkeit von Entwicklungsprozessen darf Entwicklung nicht ausschließlich mit Wirtschaftswachstum gleichgesetzt werden. Und vergessen wir nicht: Es gibt weltweit drei Milliarden Arme und Deutschland hat in 2010 nur rund 5,8 Milliarden Euro für Entwicklungshilfe eingesetzt. Das sind knapp 1,90 Euro pro Kopf! Da kann man keine Wunder erwarten." Die Deutsche Entwicklungszusammenarbeit sieht Warning in der Pflicht: "Das Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung schöpft aus einem reichen Erfahrungsschatz aus 50 Jahren. Es sollte davor gefeit sein, der Armutsbekämpfung Mittel zu entziehen und die soziale Entwicklung zu vernachlässigen." Die Millenniumsentwicklungsziele seien gerade in den ärmsten Ländern längst nicht erreicht."

Die Kinderhilfsorganisation World Vision wies auf die Schlüsselrolle der Zusammenarbeit mit den betroffenen Menschen hin. "Nur wenn die betroffenen Kommunen ihre eigenen Entwicklungsprozesse steuern können, werden wir langfristige Verbesserungen erreichen", erklärte Martin van de Locht, Leiter der Abteilung Internationale Programme bei World Vision Deutschland. "Die sogenannte 'ownership', die Eigenverantwortung der empfangenden Länder, muss auf die kommunale Ebene heruntergebrochen werden. Die Menschen vor Ort sind die wahren Experten für ihre eigene Entwicklung und müssen mitplanen, mitwirken und mitkontrollieren können."

"Es ist sehr gut, dass Bundesminister Niebel 'mehr Wirksamkeit' zu einem Mantra seiner Amtszeit gemacht hat. Nun muss sollte er auf der Konferenz für mehr Transparenz und Ergebnisorientierung der deutschen Entwicklungspolitik sorgen", sagte Tobias Kahler, Deutschlandchef der Organisation ONE. Kahler erhofft sich insbesondere Fortschritte für mehr Transparenz: "Wenn Geber wie Partnerländern bessere und vergleichbarere Daten dazu veröffentlichen, was sie finanzieren und umsetzen wollen, sind wir schon einen Schritt weiter. Dirk Niebel hat ein Bekenntnis zu internationalen Offenlegungsstandards abgegeben. Das ist gut. Aber in einem kürzlich veröffentlichten Transparenzranking landete Deutschland nur im schlechten Mittelfeld der Geber. Da ist viel Raum für Verbesserungen."

ONE begrüßte auch, dass Deutschland sich künftig stärker an klar definierten Ergebnissen messen lassen wolle. "Deutschland hat sich vorgenommen, bis 2015 30 Millionen Menschen in Sub-Sahara-Afrika Zugang zu Wasser- und Sanitärversorgung zu ermöglichen. Das ist ein gutes Beispiel für klare Ergebnisorientierung von dem wir hoffen, dass ihm weitere folgen", so Kahler.

Das "Vierte Forum über die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe" findet vom 29. November bis 1. Dezember in Busan, Südkorea, statt. Rund 2000 Delegierte verhandeln über Ziele und Wege zur Verbesserung der Effizienz der Entwicklungshilfe. Auch zahlreiche deutsche NGOs nehmen an der Konferenz teil.

www.aideffectiveness.org/busanhlf4/


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