eu_indien_100Berlin. - In der indischen Hauptstadt Neu Delhi findet am 10. Februar der EU-Indien Gipfel statt. Die EU-Kommission und die indische Regierung wollen sich auf diesem Gipfel über zentrale Aspekte des seit 2007 verhandelten Handelsabkommens einigen. Geplant ist eine umfassende Marktöffnung. Das katholische Entwicklungshilfswerk Misereor und die Heinrich-Böll-Stiftung warnen vor gravierenden Verletzungen des Rechts auf Nahrung von Milch- und Geflügelbauern sowie Straßenhändlern.

"Das geplante Abkommen gefährdet das Recht auf Nahrung in Indien", sagte Misereor-Handelsexperte Armin Paasch. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie, die beide Organisationen im Dezember in Berlin und Brüssel vorstellten. Im Vorfeld des Gipfels veranstalten Misereor und die Heinrich-Böll-Stiftung in Delhi gemeinsam mit indischen Partnern eine zivilgesellschaftliche Gegenveranstaltung und beteiligen sich an einem Protestmarsch.

Die EU fordert von Indien, europäischen Einzelhandelsketten die Eröffnung von Supermärkten zu erlauben. Aktuell sind 37 Millionen Menschen im indischen Einzelhandel beschäftigt. Im Falle einer Marktöffnung würde es nach Schätzungen von Carrefour innerhalb von fünf Jahren zu einer 20-fachen Ausdehnung der Verkaufsflächen moderner Supermärkte kommen.

"Wenn das eintritt, werden im informellen Sektor vermutlich 2,9 bis 5,7 Millionen Arbeitsplätze zerstört", warnte Paasch. "Leidtragende sind dann vor allem Straßenhändler, die wegen geringer Bildung und Ressourcen kaum andere Einkommensmöglichkeiten haben. So laufen Millionen Menschen Gefahr, in die extreme Armut abzurutschen." In einem Zeitungsinterview hatte die deutsche Metro Gruppe bereits "ein noch aggressiveres Auftreten" in Indien angekündigt.

Die EU und insbesondere die deutsche Bundesregierung drängen zudem auf eine Öffnung des indischen Milch- und Geflügelmarktes für europäische Exporte. Über 14 Millionen indische Bäuerinnen und Bauern leben von der Milcherzeugung. "Bereits 1999 hatte die EU nach einer vorübergehenden Marktöffnung die Milchpulverexporte nach Indien innerhalb von einem Jahr mehr als vervierzigfacht", erklärte Christine Chemnitz, Agrarexpertin der Heinrich-Böll-Stiftung. "Wenn der Zoll jetzt unwiderruflich abgeschafft wird, werden direkt oder indirekt subventionierte EU-Exporte die Erzeugerpreise und Einkommen für indische Kleinbauern senken und ihr Recht auf Nahrung ernsthaft bedrohen."

In ihrer neuen Strategie "Handel, Wachstum und Entwicklung" habe die EU-Kommission im Januar 2012 deutlich gemacht, dass sie von aufstrebenden Ländern wie Indien nahezu die gleichen Zollerleichterungen erwarte, wie die EU diesen Ländern gewährt, kritisierten die NGOs. "In Indien leben immer noch 40 Prozent der Bevölkerung in extremer Armut, und jeder Vierte ist chronisch unterernährt. Unter so ungleichen Partnern ist eine solche 'Gleichbehandlung' inakzeptabel", betonte Armin Paasch.

"Wir fordern vor einem Abschluss eine umfassende menschenrechtliche Folgenabschätzung", ergänzte Christine Chemnitz. "Solange Menschenrechtsverletzungen nicht auszuschließen sind, wäre eine Unterzeichnung nicht zu verantworten und ein Verstoß gegen den Lissabon-Vertrag, der die Einhaltung von Menschenrechten in der Handelspolitik vorschreibt."

www.misereor.de
www.boell.de

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