wvBerlin. - In vielen fragilen und zerrütteten Ländern leiden nach wie vor besonders Kinder unter Gewalt und Kriminalität. Daran hat das Kinderhilfswerk World Vision am Freitag in Berlin erinnert. Militärische Optionen zur Konfliktlösung seien jedoch nicht zielführend. Sinnvoll wäre aus der Sicht von World Vision die Einrichtung eines Expertenpools, um in fragilen Staaten beratend am Strukturaufbau mitzuwirken.

"Politiker müssen Kindern mehr zuhören, ihre Erlebnisse und Vorschläge ernst nehmen und ernsthafteren Willen zeigen, Konflikte auf friedliche Weise zu lösen", mahnte Christoph Waffenschmidt, Vorstandsvorsitzender von World Vision Deutschland, mit Blick auf den Weltfriedenstag am 1. September. "Internationale Maßnahmen zur Konfliktlösung sind oft mangelhaft und setzen überwiegend auf militärische Optionen. Doch physische Gewalt führt nicht zum Frieden. Hier muss ein Umdenken stattfinden."

Die Zivilgesellschaft und die einzelnen Menschen, die von Gewalt betroffen sind - auch Kinder und Jugendliche - müssten in Verhandlungen involviert werden, forderte Waffenschmidt. Ihre Erfahrungen und Empfehlungen seien wichtig und sollten in Friedensverträge einfließen. Alle gesellschaftlichen Gruppen gehörten an den Tisch, dabei sollten auch regionale Gegebenheiten berücksichtigt werden.

Regierungsstrukturen mit guter Regierungsführung seien Voraussetzung z.B. für Erfolge im Bereich der Sicherheitssektorreform, für die Umsetzung von Friedensabkommen, sie müssten aber auch den Menschen Politikbeteiligungsmöglichkeiten bieten und für den wirksamen Schutz von Kindern sorgen. "In Deutschland und anderen Geberstaaten könnte ein einsatzfähiger Expertenpool eingerichtet werden, um in fragilen Staaten beratend am Strukturaufbau mitzuwirken", so Waffenschmidt. "Der Expertenpool sollte Juristen, Staatsanwälte, Polizisten, Verwaltungsfachleute und Medienexperten beinhalten."

In Bezug auf die Weiterentwicklung zerrütteter Staaten wurde World Vision zufolge bisher zu wenig erreicht, obschon 30 Prozent der weltweiten Entwicklungsleistungen (ODA) in diesen Kontexten ausgegeben würden. Die Weltbank schätzt, dass weltweit etwa 1,5 Milliarden Menschen der Bedrohung von Gewaltkonflikten oder Kriminalität ausgesetzt sind. In keinem Land, in dem Konflikte herrschen und das über ungenügende staatliche Strukturen verfügt, wurde auch nur eines der Millenniumsentwicklungsziele erreicht, so World Vision.

Die Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe in Ländern, in denen Kriege und Konflikte herrschen oder in denen keine funktionierenden staatlichen Strukturen bestehen, sei eine große Herausforderung, so World Vision. Kinder litten besonders unter instabilen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Sie seien doppelt so oft unterernährt und dreimal so oft wie andere Kinder in der Gefahr, keine Schule besuchen zu können. Sie müssten sich verstecken und fliehen, weil sie Angst haben, als Kindersoldaten und Sexsklaven zwangsrekrutiert zu werden.

In erschütternden Berichten z.B. aus der Demokratischen Republik Kongo erzählen Kinder und junge Mütter gegenüber World Vision über ihre Erfahrungen. So berichtete Vumiliya von ihrer dreitägigen Flucht nach Uganda, nachdem ihr Dorf im Kongo überfallen wurde. Auf dem Arm trug sie zwei ihrer kleinsten Kinder und an der Hand ein drittes Kind. Von ihren anderen vier Kindern (ein Junge im Alter von 11 Jahren, drei Mädchen im Alter von 9, 7 und 4 Jahren) und ihrem Ehemann hat sie nichts mehr gehört. Ihren Sohn wollten die Rebellen mitnehmen und als Soldat zwangsrekrutieren. Vumiliya fragte: "Warum tun sie uns das an? Manchmal denke ich, sie ärgern sich einfach, dass wir leben."

World Vision arbeitet in einigen dieser zerrütteten Staaten schon viele Jahre, wie z.B. in Somalia, Südsudan, der Demokratischen Republik Kongo, Sierra Leone, Afghanistan. Ein Schwerpunkt der Arbeit von World Vision ist es, Kinder im friedlichen Umgang miteinander und mit anderen Bevölkerungsgruppen zu bestärken. In Uganda wurden auf Dorfebene beispielsweise rituelle Versöhnungsprojekte unterstützt. In Aufnahmezentren und Reintegrationsprojekten kümmern sich Mitarbeiter um die Versorgung ehemaliger Kindersoldaten.

World Vision Deutschland konnte nach eigenen Angaben im Finanzjahr 2011 mit den Einnahmen aus Spenden und öffentlichen Zuschüssen 289 Projekte der Entwicklungszusammenarbeit und Katastrophenhilfe in 51 Ländern fördern. Die am stärksten geförderten Regionen waren Afrika, Asien und Lateinamerika. Die humanitäre Situation am Horn von Afrika hat die Arbeit der Organisation im Jahr 2011 ganz besonders beschäftigt.

Die Gesamteinnahmen von World Vision Deutschland stiegen im Finanzjahr 2011 auf insgesamt 91,6 Mio. Euro an und lagen damit 6,5 Prozent über dem Vorjahr. Von den gesamten Einnahmen sind 69,5 Mio. Euro dem privaten Bereich zuzuordnen. Die meisten Spenden seien hierbei über Patenschaftsbeiträge erzielt worden, berichtete die Organisation am Freitag in Berlin. Über das langfristige Engagement der Paten werde auch eine langfristige und nachhaltige Projektarbeit in den Ländern des Südens ermöglicht. Die Einnahmen von Kooperationspartnern – insbesondere über Aktion Deutschland Hilft – stiegen im Jahr 2011 deutlich auf über 10 Millionen Euro. Die Zuschüsse von öffentlichen Geldgebern lagen in 2011 bei 10,8 Millionen Euro.

www.worldvision.de

Back to Top

Wir nutzen ausschließlich technisch notwendige Cookies auf unserer Website.