rogBerlin. - In Kambodscha wird am kommenden Sonntag (28. Juni) ein neues Parlament gewählt. Das geschehe in einem "Klima fast vollständiger Medienkontrolle und verbreiteter Selbstzensur", kritisierte Reporter ohne Grenzen (ROG) am Donnerstag in Berlin. Fast alle traditionellen Medien würden von der Kambodschanischen Volkspartei des seit 28 Jahren regierenden Ministerpräsidenten Hun Sen kontrolliert.

Restriktive Gesetze und Erlasse, Übergriffe und Einschüchterungsversuche tun aus der Sicht von ROG ein Übriges, um eine freie Berichterstattung zu unterbinden. "Pressefreiheit gibt es in Kambodscha nur auf dem Papier", kritisierte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Die Regierung muss endlich das Strafrecht und das Pressegesetz reformieren, auf Einschüchterungen gegen kritische Journalisten verzichten und Übergriffe glaubwürdig untersuchen lassen."

Alle elf Sender in Kambodscha gehören laut ROG entweder ganz oder teilweise der Regierung. Ihre Nachrichten würden vor der Ausstrahlung kontrolliert und seien deshalb praktisch identisch. Nur drei der 160 offiziell registrierten Radiosender könnten als unabhängig betrachtet werden; sie seien häufigen Behinderungen, Schikanen und Einschüchterungsversuchen ausgesetzt. Printmedien unterlägen geringeren Einschränkungen, hätten aber eine sehr geringe Reichweite: Aufgrund des verbreiteten Analphabetismus und geringer Einkommen lesen nur zwei Prozent der Kambodschaner Zeitungen. Der Großteil von ihnen lebt in den Städten.

Auf rechtlicher Ebene schränkt besonders das von Menschenrechtsorganisationen heftig kritisierte Strafgesetzbuch von 2010 die Berichterstattung stark ein. Faktisch, so ROG, verbiete es unter anderem Kritik an Gerichtsentscheidungen und enthalte vage Regelungen über Verleumdung und Anstachelung zu Verbrechen, die in der Praxis von einer willfährigen Justiz eingesetzt würden, um kritische Berichte über die Regierungspolitik zu unterbinden. Die Folge sei verbreitete Selbstzensur, um Sanktionen zu entgehen. Ähnlich problematisch sei das Pressegesetz von 1995. Es verbietet etwa die Verbreitung von Informationen, die "die nationale Sicherheit und politische Stabilität beeinträchtigen können".

Besonders gefährdet sind nach Angeben von ROG in Kambodscha Journalisten, die über sensible Themen wie Umweltzerstörung, Landrechte oder Arbeitsbedingungen berichten. Im September 2012 sei der Umweltjournalist Hang Serei Oudom tot im Kofferraum seines Autos gefunden worden. Er hatte über illegale Rodungen berichtet. Die Untersuchung des Mordes sei trotz starker Indizien gegen einen örtlichen Beamten der Militärpolizei zweimal eingestellt worden.

Auch weiter zurückliegende Todesfälle von Journalisten wurden niemals aufgeklärt, berichtete ROG. Im Dezember sei Trang Try von der Zeitung Neues Jahrzehnt verhaftet worden, der bei der Polizei illegale Rodungen angezeigt hatte. Vichey Anon vom Radiosender Radio Free Asia (RFA) sei bewusstlos auf einer Straße gefunden worden, nachdem er über die Festnahme des Kollegen berichtet hatte.

Ende Juni verbot die Regierung lokalen Radiosendern laut ROG bis zur Wahl die Ausstrahlung von Khmer-sprachigen Programmen ausländischer Sender wie RFA und Voice of America (VOA) - angeblich, um eine neutrale Berichterstattung zu gewährleisten. Erst nach internationalen Protesten habe sie das Verbot zurückgenommen.

Auch der aktuelle Wahlkampf sei von Einschränkungen geprägt: Verboten seien unter anderem Berichte über Aktivitäten von Ausländern in Kambodscha zugunsten von Parteien oder Politikern. Neue Möglichkeiten der Meinungsäußerung und Debatte eröffnet das Internet, dessen Nutzung vor allem unter jungen Kambodschanern rasant steigt. Auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit steht Kambodscha auf Platz 143 von 179 Ländern.

www.reporter-ohne-grenzen.de

 


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