fianKöln. - Weltweit tritt FIAN, das "FoodFirst Informations- & Aktions-Netzwerk", für das Recht auf Nahrung ein. In Uganda ist die Arbeit FIANs jetzt auf Widerstand gestoßen. Ausgerechnet der deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hat sich kritisch zur Arbeit der Menschenrechtler zu Wort gemeldet - und die Neumann Kaffee Gruppe, den nach eigener Einschätzung "weltweit führenden Rohkaffee-Dienstleister", gegen eine FIAN-"Kampagne" in Schutz genommen.

Die Angelegenheit könnte eine Provinzposse sein, denn die internationale FIAN-Geschäftstelle befindet sich in Heidelberg, dem Wahlkreis des FDP-Ministers. Aber es geht um die Intervention eines deutschen Ministers zugunsten eines Kaffeekonzerns bei einer internationalen Menschenrechtsorganisation. "Da Sie in meinem Wahlkreis ansässig sind, möchte ich Sie aus entwicklungspolitischer Sicht bitten, Ihre Darstellung des Falles zu überdenken und die Gesamtsituation in Uganda nicht noch weiter zu verschärfen", schrieb Niebel an FIAN-Geschäftsführerin Ute Hausmann.

FIAN unterstützt seit mehr als zehn Jahren Kleinbauern in Uganda im Kampf um Entschädigungen für ihre Vertreibung von der Kaweri Kaffee Plantage. "In Mubende wurden im August 2001 vier Dorfgemeinschaften gewaltsam vom Militär von ihrem Land vertrieben", erklärte die Organisation am Dienstag. "Sie mussten einer Kaffeeplantage Platz machen, die der Kaweri Coffee Plantation Ltd, einem Tochterunternehmen der Neumann Kaffee Gruppe, gehört. Im Zuge der Vertreibung verloren die Menschen Hab und Gut, einige wurden verletzt oder verloren sogar ihr Leben."

Niebel, dessen Ministerium im Zuge eines Niebel-Besuches im Mai in Uganda noch versichert hatte, die Einhaltung der Menschenrechte sei "eine zentrale Voraussetzung für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit", war nach "vertiefter Prüfung des Sachverhalts (...) zu der Einschätzung gelangt, dass die fortwährende Kampagne, die Sie gegen die angesehene Neumann Kaffee Gruppe führen, unangemessen und unberechtigt ist". Er habe sich selbst im Gespräch mit "hochrangigen Regierungsvertretern in Uganda" davon überzeugen können, dass die FIAN-Arbeit "nicht nur dem Unternehmen, sondern der ugandischen Kaffeewirtschaft insgesamt erhebliche Nachteile" bringe.

Niebels Intervention sei "ein in der Geschichte der deutschen Menschenrechtsarbeit unerhörter Vorgang", urteilte FIAN International. "Die Einseitigkeit von Niebels Darstellung und Vorgehensweise legt den Schluss nahe, dass es sich um den Versuch handelt, einseitig deutsche wirtschaftliche Interessen durchzusetzen."

FIAN (FoodFirst Informations- & Aktions-Netzwerk) ist eine internationale Menschenrechtsorganisation für das Recht auf Nahrung mit Mitgliedern in 60 Ländern. Niebel wiederum ist bekannt für sein Mantra zugunsten der "freien Marktwirtschaft". In fast keiner Mitteilung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) seit der Amtsübernahme Niebels fehlt der Hinweis auf den Segen freien Unternehmertums. Voraussetzung für Entwicklung sei, "dass geeignete Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliches Handeln geschaffen werden", so das BMZ. "Die Erfolgsaussichten und die Effizienz der Wirtschaftspolitik hängen dabei entscheidend von der Qualität staatlicher Strukturen und Institutionen ab. Die staatlichen Akteure müssen in der Lage sein, eine wachstumsförderliche Wirtschaftspolitik zu formulieren und sie dann auch umzusetzen."

"FIAN wird die Unterstützung für die vertriebenen Kleinbauernfamilien selbstverständlich fortsetzen", machte FIAN-Geschäftsführerin Ute Hausmann klar. "Noch immer leiden die Menschen an den Folgen der Vertreibung zu Gunsten des Hamburger Kaffeeunternehmens Neumann. Sie streiten seit über einem Jahrzehnt vor Gericht um Entschädigung. Wir werden alles daran setzen, dass die Vertrieben ihr Recht erhalten."

FIAN stellt zudem klar, "dass weder FIAN Deutschland noch FIAN International eine 'Kampagne' gegen die Neumann Kaffee Gruppe führen". Vielmehr dokumentiere FIAN seit elf Jahren die Situation der Menschen vor Ort und unterstütze die mehr als 2.000 Vertriebenen, die sich in der Gruppe "Wake Up and Fight for Your Rights, Madudu Group" organisieren und seit 2002 ein Gerichtsverfahren gegen die Regierung von Uganda und Kaweri angestrengt hätten. Die Arbeit sei dabei geleitet "von der Analyse der menschenrechtlichen Verpflichtungen des Staates von Uganda sowie der menschenrechtlichen Verantwortung von Kaweri bzw. der Neumann Kaffee Gruppe".

"Dirk Niebel hat in der Vergangenheit zu Recht kritisiert, dass sich die Regierungen in Russland, Äthiopien oder Afghanistan in die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen eingemischt haben", erklärte Ute Hausmann. "Der Entwicklungsminister sollte sein eigenes Handeln im eigenen Land mit gleichen Maß messen."

Der Kaweri-Fall wirft FIAN zufolge ein Schlaglicht auf die seit einigen Jahren massiv zunehmenden Fälle von Landvertreibung, auf die damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen und auf die in diesem Kontext stattfindende Einschüchterung und Kriminalisierung von Menschenrechtsverteidigern. So sei im Fall der Kaweri-Plantage der Sprecher der Vertriebenen 2005 nach Korruptionsvorwürfen unter Missachtung von Verwaltungsverfahren in Untersuchungshaft genommen und erst nach sechs Monaten freigesprochen und entlassen worden. Die Sicherheitslage der Vertriebenen sei bedenklich.

Besonders irritierend ist aus der Sicht von FIAN, dass Niebel "mit keinem Wort das Gerichtsurteil des Hohen Gerichts von Kampala vom 28. März 2013 erwähnt": Das Gericht habe den Vertriebenen Entschädigungsleistungen in erheblichem Umfang zugesprochen und die Neumann-Tochter Kaweri für schuldig erklärt.

FIAN hatte im Nachgang des Urteils kritisiert, dass das Urteil die menschenrechtliche Pflichtverletzung der ugandischen Regierung nicht benenne und dieser somit ermögliche, sich ihrer Verantwortung zu entziehen. "In dieser Situation wäre es die Aufgabe der deutschen Regierung gewesen, die gewaltsame Vertreibung durch das ugandische Militär zu verurteilen und die ugandische Regierung an ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen zu erinnern", so FIAN.

Niebel verweise stattdessen in seinem Brief auf einen Beschluss der deutschen Nationalen Kontaktstelle (NKS) der OECD, wonach Neumann kein Vorwurf zu machen sei. Dazu sei klarzustellen, so FIAN, dass die Einschätzung der im Bundeswirtschaftsministerium angesiedelten NKS auf ein einziges Gespräch zwischen der NKS, VertreterInnen der Neumann Kaffee Gruppe und einem Vertreter der Vertriebenen in Berlin zurückgehe. Zuvor habe das Unternehmen alle konkreten Vorschläge abgelehnt, die Wake Up and Fight for Your Rights und FIAN zur Klärung der strittigen Fragen unterbreitet hatten.

Die Neumann-Gruppe sieht sich nicht in der Verantwortung, sondern die Vorbesitzer der heute 1.800 Hektar großen Plantage und den ugandischen Staat. Kaweri habe 250 Jobs geschaffen, beschäftige zur Erntezeit 1.500 Saisonarbeiter und stelle der Mehrheit der lokalen Bevölkerung freies Wohnen, Elektrizität, sauberes Wasser und medizinische Versorgung bereit. Die Kaweri Coffee Plantation sei Ugandas größte und modernste Kaffee-Farm.

"Ein Geschäft ist dann gut, wenn alle Beteiligten etwas davon haben", heißt es auf der Neumann-Website zum Thema "Werte" und "Verantwortung".

Auf seiner persönlichen Website ließ der Minister erklären, der "Vor­wurf, Bun­des­mi­nis­ter Dirk Niebel habe FIAN zur Ein­stel­lung seiner Kam­pagne auf­ge­for­dert, trifft nicht zu". Im Gegen­teil unter­stütze das BMZ "viele zivil­ge­sell­schaft­liche Or­ga­ni­sa­ti­on­en, da­run­ter auch FIAN, sogar fi­nan­ziell bei ihrer wich­ti­gen Arbeit". Weiter heißt es: "Zugleich ist auch die wirt­schaft­liche Ent­wick­lung in unseren Ko­ope­ra­tions­ländern wich­ti­ges Ziel der deutschen Ent­wick­lungs­po­li­tik, auch in Zu­sam­men­ar­beit mit deut­schen Unter­neh­men, denn sie schafft Arbeits­plätze und damit eine Lebens­grund­lage für viele Menschen in Ent­wick­lungs­ländern."

www.fian.org
www.kleinbauernrechte-jetzt.de/schwerpunkt/uganda
www.nkg.de

 


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